Die Debatte um das Ende der Iran-Sanktionen konfrontiert die Bürger im Iran erneut auch mit der Ära des abgewählten Expräsidenten Mahmud Ahmadi-Nejad. Denn auch wenn durch ein Wegfallen der Einschränkungen allgemein beträchtliche Profite erwartet werden: Der Schaden durch Misswirtschaft bleibe, sagen viele.

Und so verging während der Gespräche kaum ein Tag, an dem nicht ein neuer Skandal über die acht Jahre seiner Regierungszeit die Runde machte. Vom Verschwinden von Ölbohrinseln im Persischen Golf bis zu ungesetzlichen Baugenehmigungen und dem Verkauf staatlicher Grundstücke. Der Umfang steht noch nicht endgültig fest, aber der Kreis der Verdächtigen schließt sich langsam. Dreizehn frühere Weggefährten des ehemaligen Regierungschefs stehen unter Verdacht, berichtet die Zeitung "Shargh". Sie veröffentlichte Namen und Bilder und die erhobenen Vorwürfe.

Das Blatt verglich Ahmadi-Nejad und sein Team mit Fifa-Chef Sepp Blatter und seinen unter Korruptionsverdacht stehenden Fifa-Direktoren. Seine Vize Mohammad Reza Rahimi wurde inzwischen zu fünf Jahren Haft verurteilt. Hamid Baghaie, enger Vertrauter von Ahmadi-Nejad, wartet noch auf seine Verhandlung.

Einnahmen hoch – Kasse leer

Irans Öleinnahmen während der letzten sieben Jahre Regierungszeit Ahmadi-Nejads betrugen nach offiziellen Angaben der Opec 700 Milliarden Dollar (630 Milliarden Euro). Bei der Amtsübernahme seines Nachfolgers Hassan Rohani 2013 war aber die Staatskasse fast leer. Seit zwei Jahren versucht man herauszufinden, wo das Geld geblieben ist.

Ahmadi-Nejad, der als Hoffnungsträger der einfachen Leute an die Macht gekommen war und versprochen hatte, die Öleinnahmen zu verteilen, versuchte offenbar wie ein Geschäftsmann im Basar die Wirtschaft und Finanzen des Landes zu gestalten.

Dabei war die Tür zur Korruption weit geöffnet. Trotz eines finanziellen Polsters konnte er die Wirtschaft im Iran nicht in richtige Bahnen lenken, und seine harte Außenpolitik bescherte dem Iran mehr Einschränkungen und Wirtschaftssanktionen.

Finanzielle Ungereimtheiten

In der zweiten Amtszeit Ahmadi-Nejads hatte die Isolation des Irans neue Maßstäbe erreicht. Kaum ein Monat, in dem nicht neue Sanktionen verhängt wurden. Viele seiner Vorhaben wurden zudem wegen Fehlplanung und wegen finanzieller Ungereimtheiten auf Eis gelegt: etwa tausend in Bau befindliche subventionierte Wohnungen, die aufgrund von Mängeln nicht bewohnbar sind. Auch der religiöse Führer des Iran, Ayatollah Khamenei, der einst Ahmadi-Nejad als seinen Favoriten bezeichnet hatte, ermahnte ihn schließlich. Die Verarmung der Massen durch Sanktionen, steigende Preise, und eine Inflationsrate von über 45 Prozent sowie die Isolation Irans waren die Folge seiner Regierungszeit. Er verlor nach und nach jegliche Unterstützung, auch die vieler Geistlicher.

Bedingt durch die Sanktionen – die Ahmadi-Nejad als "nicht mehr als ein Fetzen Papier" bezeichnete – wurden die Öleinnahmen immer geringer. Der Iran verlor allmählich viele seiner traditionellen Kunden. Wegen des anhaltenden Mangels an Ersatzteilen und eines Zuliefererstopps konnten zum Beispiel große Autofirmen kaum die bestellten Wagen liefern. Die Industrie stagnierte, und die Privatwirtschaft musste teilweise auf Kurzarbeit umstellen.

Gravierende Sanktionsfolgen

Auch die Arbeitslosigkeit stieg von Tag zu Tag. Fast jeden Tag emigrierten viele Intellektuelle und Medienvertreter ins Ausland. Millionen Akademiker suchten vergeblich eine Arbeitsstelle und mussten sich mit einem Job zufriedengeben, für den sie überqualifiziert waren. Die Bankzinsen wurden fast jeden Tag hinaufgesetzt und betrugen zum Schluss bis zu 30 Prozent – bei eine Inflation von offiziell 46,5 Prozent.

Trotz steigender Unzufriedenheit und kaum übersehbarer Korruption versuchte sich der Regierungschef als Messias der Massen zu präsentieren. Viele Bauprojekte wurden nach der offiziellen Eröffnung wieder eingestellt, etwa zwei Autobahnen in der Nähe der Hauptstadt. Solche Potemkin'schen Präsentationen lieferten der liberalen Presse Material, um die Regierung zu kritisieren. "Um die Scherben der Ära Ahmadi-Nedjad zu sammeln, braucht man viel Geduld und vor allem Geschicklichkeit", meint die Zeitung "Etemad". Ein Atomdeal, hieß es, könne nur ein Schritt sein. (Amir Loghmany, 6.7.2015)