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Die Linzerin Teresa Präauer hat wohl gute Chancen auf einen der vier am Sonntag zu vergebenden Preise.

Foto: APA/GERT EGGENBERGER

Klagenfurt – Sanft oder doch nur etwas müde geworden gab sich die Jury am dritten und letzten Lesetag mehr als handzahm. Beinah kuschelweich sogar Westentaschen(buch)-Rambo Klaus Kastberger, der sich Juror Juri Steiner am Freitag als bevorzugten Adressaten seiner Sticheleien auserwählt hatte und Jurykollegin Hildegard Keller heute immerhin noch kurz das Recht gab, sich zu fragen, was denn mit den österreichischen Männern los sei.

Erweitertes Favoritenfeld

Dieser letzte Lesetag hat das Feld der Hauptpreisanwärter, auf dem sich bisher Valerie Fritsch, Nora Gomringer und Monique Schwitter tummelten, noch einmal geweitet.

Allerdings erst nach der Lesung des Schweizers Jürg Halter, dessen Erwachen im 21. Jahrhundert über einen menschheitskritischen Frühaufsteher Hubert Winkels erst zum "monumentalen Text und einem monumentalen Beginn des Tages" erklärte, um dann doch in den Grundtenor der Juroren einzustimmen, dass er nicht ganz aufgehe. Kastberger etwa sprach von einem "Jean Ziegler auf Schlaftabletten", Sandra Kegel war der Text "zu dicht", Meike Feßman fand ihn – trotz Gegenstimmen Hildegard Kellers, Juri Steiners und Stefan Gmünders – "vergleichsweise balanglos".

Und allerdings auch erst nach der Lesung Anna Baars. Die Klagenfurterin, die von Stefan Gmünder eingeladen worden war, las einen Auszug aus ihrem im Sommer erscheinenden Romanerstling Die Farbe des Granatapfels, der zwar allseits Anklang, aber auch Klänge leichten Unbehagens fand. Für Feßmann etwa war der "stille Stellungskrieg" (Sandra Kegel) zwischen einer Pubertierenden und ihrer Großmutter zwar "sehr suggestiv und überzeugend", dabei aber manchmal zu nah am Pathos; Keller entdeckte neben den passenden auch viele "schräge Bilder" und Winkels war das, was für Kastberger "total sinnlich dampft", schließlich schon wieder "eine Nuance zu schön".

Einigkeit und Beißhemmung

Mit Teresa Präauer und Dana Grigorcea machte sich schließlich aber eine zufriedene Einigkeit unter den Juroren breit. Und schien zuweilen leider eine Art von Beißmüdigkeit mit sich zu führen. Denn Oh, Schimmi! der Linzerin Präauer hätte durchaus Möglichkeit zur Kritik geboten. Doch von vorne.

Teresa Präauer erweiterte das Repertoire der auf keinen gemeinsamen Nenner zu bringenden Beiträge des Lesetages am Nachmittag mit einem unheimlich temporeich vorgetragenen Popliteratur-Text über einen Mann, der die Metapher "sich zum Affen machen" wörtlich nimmt und dabei zum Stalker wird. "Soundtrack zum Lesen. Der Text macht mich jung", lobte Kastberger, angetan von der Performanz" zeigte sich Keller und erklärte, "das Kalkül geht voll auf". Doch vielleicht tut es das gerade zu gut: Sprachliche Verspieltheit als Überwältigungsstrategie, um von mitunter fehlender Raffinesse abzulenken, eine Übertreibung in jegliche Richtung, die mitunter mühsam werden konnte, sowie eine zuweilen infantile Gefälligkeit des Dargestellten hätten durchaus Kritik- oder zumindest Diskussionsstoff bieten können.

In den Kreis der Preisverdächtigen katapultierte sich zum Abschluss noch Dana Grigorcea. Die Schweizerin erntete für ihren Text Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit über die Öffnung des Post-Ceausescu-Rumäniens zum Westen hin (französische Filme, Michael Jackson, Sex im rumänischen Parlamentsgebäude) einhelliges Jurylob. Eine "herrliche Satire" und "Medienverunglückungsgeschichte" las Winkels aus dem Text heraus, "Ostalgiegefühl" empfand Kastberger, "Schwere in ganz Großer Leichtigkeit" attestierte Stefan Gmünder. Und das Publikum applaudierte zufrieden.

Preisvergabe und -struktur

Morgen Vormittag werden die vier Preise des Wettbewerbs vergeben. Die Abstimmung für den BKS-Bank-Publikumspreis (7000 Euro) ist bereits beendet, die Verteilung der übrigen drei Preise (der mit 25.000 Euro dotierte Ingeborg Bachmann-Preis, der mit 10.000 Euro dotierte KELAG-Preis und der mit 7500 Euro dotierte 3sat-Preis) liegt in der Hand der Jury. Ein verfeinerter Abstimmungsmodus, der den Zweitplatzierten einer Entscheidung in der darunterliegenden automatisch für eine Stichwahl nominiert, soll für mehr Fairness sorgen als bisher. (Michael Wurmitzer, 4.7.2015)