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Deutschlands Bundestrainerin Neid: Trotz großer Erfolge nicht unumstritten.

Foto: apa/epa/jaspersen

Edmonton – Die zunehmende Kritik aus der Heimat brachte die deutsche Torfrau Nadine Angerer vor ihrer Abschiedsvorstellung gehörig auf die Palme. "Das macht mich richtig sauer. Weil es immer leicht ist, Sachen von außen zu beurteilen", sagte die Kapitänin des DFB-Nationalteams über die Störfeuer, die vor dem WM-Spiel um Platz drei gegen England am Samstag (22.00 MESZ/ORF Sport +, ARD und Eurosport) über den großen Teich geschwappt waren.

Besonders harsch äußerte sich nach dem Halbfinal-Aus gegen die USA (0:2) Colin Bell, Trainer des Champions-League-Siegers 1. FFC Frankfurt. Er bemängelte Defizite in der taktischen Flexibilität sowie zu wenig (Wechsel-)Impulse von Bundestrainerin Silvia Neid. Ralf Kellermann vom VfL Wolfsburg forderte Weiterentwicklungen im spielerischen und technischen Bereich.

Die Spitze des DFB zeigte sich in Person von Generalsekretär Helmut Sandrock "sehr verwundert" über die Kommentare. Neid, die als Spielerin, Co- und Cheftrainerin an allen zehn Titelgewinnen der DFB-Auswahl beteiligt war, genieße weiterhin "totales Vertrauen". Bis nach Olympia 2016 bleibt sie noch in Verantwortung.

Neid hatte sich mit der Entscheidung angreifbar gemacht, nach dem 0:1-Rückstand gegen die USA nicht ihr Wechselkontingent für frischen Wind auszuschöpfen. Das Fehlen der verletzten Weltfußballerin Nadine Keßler sowie die im internationalen Vergleich extrem kurze WM-Vorbereitungszeit erwähnte allerdings keiner der Kritiker.

Ihren Abschied im 146. und letzten Länderspiel will Angerer sich nach zwei Jahrzehnten im Nationalteam nicht vermiesen lassen: "Es würde dem Turnier nicht gerecht werden, mit zwei Niederlagen nach Hause zu fahren. Dafür sind wir zu gut. Wir als Mannschaft wollen uns mit Platz drei auch belohnen, dann wird auch die Party umso besser."

Gegner England hat als Halbfinal-Debütant gegen Titelverteidiger Japan denkbar unglücklich durch ein Eigentor in der Nachspielzeit 1:2 (1:1) verloren. Die Bilanz gegen Deutschland ist allerdings eher verheerend: In bisher 20 Vergleichen konnte gegen den zweimaligen Welt- und achtmaligen Europameister noch nie gewonnen werden (18 Niederlagen, zwei Remis).

Spielergewerkschaft: Missachtung muss aufhören

Die Spielergewerkschaft FIFPro startete unterdessen eine Initiative zu mehr Gleichberechtigung für die Fußballerinnen. Am Freitag stellte die Organisation am Rande der WM in Vancouver eine globale Initiative vor, durch die Spielerinnen erstmals seit der Gründung vor 50 Jahren direkt der FIFPro beitreten können, wenn es in ihrer jeweiligen Nation keine eigene Spielergewerkschaft gibt.

Ausschlaggebend für die Initiative sei die in einer Klage von Spielerinnen mündende Diskussion um die Austragung der WM in Kanada auf Kunstrasen gewesen. "Das war die Frage, die zu der Entscheidung führte, dass Frauen Unterstützung brauchen. Das war die entscheidende Wende", sagte die schwedische Ex-Nationaltorhüterin Caroline Jönsson als Leiterin der neuen Frauenfußball-Kommission der FIFPro.

FIFPro-Generalsekretär Theo van Seggelen sagte: "Fußballerinnen wurden missachtet und nicht respektiert. Wir wollten damals einschreiten, aber es war zu spät." Das Problem sei, dass der Weltverband FIFA von Menschen geleitet werde, "die sich nicht für den Fußball interessieren". Frauen könnten nun "zu einer treibenden Kraft" der Spielergewerkschaft werden.

In den neu geschaffenen Beirat wurden Schwedens Stürmer-Star Lotta Schelin sowie Nationalspielerinnen Veronica Boquéte (Spanien/Bayern München), Kristen van de Ven (Niederlande), Lydia Williams (Australien), Rita Chikwelu (Nigeria) und Monica Gonzalez (Mexiko) berufen. "Wir sind hier, um die Rechte der Spielerinnen zu verteidigen. Wir glauben, dass es Zeit für Veränderung ist. Wir wurden so oft missachtet, und das muss aufhören", sagte Boquéte.

Williams wies auf die auch in Kanada noch immer bestehenden Unterschiede zu einer Männer-WM hin. "Auf Kunstrasen zu spielen und sich mit gegnerischen Teams ein Hotel teilen zu müssen – das würde bei den Männern nie akzeptiert", sagte die Australierin. (sid/red – 47. 2015)