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Anna Netrebko im Konzerthaus – als Aida und Cio-Cio-San.

Foto: Reuters / EDGARD GARRIDO

Wien – Juli ist's. Auf fernen grünen Hügeln macht man sich daran, Ringe und Intrigen zu schmieden, im Musikverein befriedigt das Wiener Mozart Orchester Touristengelüste en masse, in der Staatsoper wird Jazz gespielt und in der Volksoper gar nichts. Schön, wenn es da im Konzerthaus noch einen Nachschlag gibt zur Konzert- und Opernsaison: Im Rahmen der Reihe Great Voices präsentierten Anna Netrebko, Ekaterina Gubanova und Ildar Abdrazakov sich sowie Opernarien aus dem italienischen Repertoire; als Vierter im Sängerbunde fungierte Netrebkos Lebensgefährte Yusif Eyvazov, der den "plötzlich erkrankten" Kollegen Aleksandrs Antonenko ersetzte.

Eyvazov durfte als Erster an die Rampe. Der in Algier geborene Sänger demonstrierte mit Se quel guerrier io fossi ... Celeste Aida nach einem erst etwas meckernden Timbre seinen raumsprengenden Tenor. Auch eine Arie des Canio aus I Pagliacci wurde zum Beweis der enormen Leistungsfähigkeit seiner Lunge. Da wird Eyvazov in St. Margarethen, wo er (ab 8. 7.) den Cavaradossi in Tosca singen soll, eventuell ohne Verstärkung auskommen.

Mit nobler Kraft agierte dann Abdrazakov, fesselte bei seinen zwei frühen Verdi-Arien (aus Ernani und Attila) aber auch mit tollen Pianissimi. Ekaterina Gubanova ging bei Acerba voluttà der Principessa de Bouillon aus Adriana Lecouvreur noch etwas in Francesco Cileas großem Hollywood-Sound unter; nach einer lyrischen Santuzza (Voi lo sapete, o mamma) wurde die Russin erst im Schlussduett als Amneris (mit Eyvazov als Radames) so richtig dramatisch.

Anna Netrebko erkundete mit einer Aida-Arie künftige Repertoirepfade, der Gesamteindruck blieb hier aber trotz ihres dunkel-weichen, ebenmäßigen Timbres harmlos. Schlichtweg ein Wunder aber ihre Arie der Cio-Cio-San Un bel di vedremo: unvergleichlich dieser schwebende Glanz, dieses Ineinander von Leichtigkeit und Intensität. Dies fiel leider nicht allen auf. Galakonzert, das bedeutet ja leider auch: dass sich die vom wohlmeinenden Papi ins Konzert geschleppten Teenagertöchter erst unterhalten, während Netrebko singt, und später mal mit dem Handy filmen. Und in der Pause wurde im Publikum intensiv über das Kleid der 43-Jährigen diskutiert.

Kann man Netrebko als Galionsfigur und Publikumsmagnet des Abends bezeichnen, so war Marco Armiliato dessen Herz und Energiezentrum. Mit den überdeutlichen Bewegungen eines Operndirigenten führte der Italiener das ORF RSO Wien so straff wie nuanciert und brachte den Klangkörper sofort auf Touren. Zwei Zugaben; bei Non ti scordar di me wurden aus den vier Solisten sogar noch zwei Tanzpaare. Begeisterung. (Stefan Ender, 2.7.2015)