Hans Löw und Laura Tonke in "Hedi Schneider steckt fest".

Foto: Polyfilm

Trailer

Pandora Film Verleih

Wien – Ein kindliches Gemüt zu besitzen bedeutet nicht, naiv zu sein. Zu Beginn des Films spielt Hedi Schneider mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Garten. Sie tut alles, um Erwartungen zu erfüllen, und versucht dennoch, ihre Eigenständigkeit zu bewahren. Wenig später sieht man die Mittdreißigerin mädchenhaft gekleidet auf dem Fahrrad. Ihre Arbeit im Büro ist so langweilig, wie es die meiste Büroarbeit ist. Vielleicht gab es Anzeichen, dass etwas passieren wird, etwa als der Kollege, der gestern noch vehement seine Kaffeetasse zurückgefordert hat, heute nicht mehr da ist. Nicht mehr da sein kann. Oder als Hedi Schneider im Lift stecken bleibt. Aber da scherzt sie noch mit dem Angestellten der Aufzugsfirma. Bestellt bei ihm Kaffee und Gebäck. Hedi Schneider ist eine Frohnatur, einfach gestrickt mit einfachem Namen.

Doch Hedis Überdrehtheit ist keine Attitüde, sondern der Versuch, sich etwas mitzunehmen in die Lebensmitte. Doch für Hedi geht sich das nicht aus. Sie könnte zu jenen Protagonisten zählen, von denen die Filmemacherin Sonja Heiss vor ein paar Jahren in ihrem ersten Erzählband berichtet hat. Die Figuren in diesen kurzen Geschichten waren junge Leute über dreißig, die Schwierigkeiten hatten, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Der Titel der Sammlung lautete Das Glück geht aus.

Es beginnt mit einer Panikattacke auf dem Küchenfußboden. Hedi meint zu sterben, bekommt keine Luft mehr. Man will es dieser Frau nicht recht zutrauen, dass ausgerechnet sie fortan gegen Angstzustände kämpfen muss. Doch Hedi kommt nicht mehr in ihre bisherige Welt zurück, auf die Diagnose Angststörung reagiert ihr Mann zunächst den Verhältnissen entsprechend, mit Fürsorge, Unsicherheit, Beruhigungen. Man gibt Versprechen ab, doch im Laufe der Zeit wird die aus den Fugen geratene Beziehung fragiler, werden die Sorgen in der Gegenwart zu Ängsten über die Zukunft.

Dass Hedi Schneider steckt fest sich sogar in seinen dunkelsten Momenten eine komische Leichtigkeit bewahrt, liegt daran, dass Sonja Heiss ihre Protagonistin nie zur passiven Außenseiterin macht: Trotz aller Verletzlichkeit gesteht ihr Heiss immer auch eine entsprechende Stärke zu, die sie aus der Opferrolle befreit. Die spürbare Lakonie ist aber auch dem Spiel von Laura Tonke geschuldet, das von Empathie und Distanz zugleich bestimmt ist. Und auch Hans Löw trägt als verunsicherter Familienvater dazu bei, dass Hedi Schneider steckt fest im Grunde mehr Tragikomödie ist als Krankheitsdrama.

Man fühlt sich an Heiss' Debüt Hotel Very Welcome erinnert, in dem fünf Rucksacktouristen stellvertretend die Sinnkrise ihrer Generation durchlebten. Die Reise von Hedi Schneider führt sie nicht weg von zu Hause – und doch weit fort. Es gäbe zwei Arten von Schlägen im Leben, schrieb F. Scott Fitzgerald, die von außen und jene, die von innen kommen. Die zweite Art von "Knacks" käme langsam. Aber dann spüre man ihn umso mehr. Hedi Schneider steckt fest ist ein Film über diese zweite Art von Schlägen, "die man nicht spürt, bis es zu spät ist". (Michael Pekler, 2.7.2015)