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Alexis Tsipras pokert hoch.

Foto: ap/karajidis

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APA

Geht es nach dem griechischen Premier Alexis Tsipras, ist das mit dem Referendum eigentlich relativ einfach: Man stimme weder über den Euro noch über die Mitgliedschaft seines Landes in der EU ab. Immerhin wird das griechische Volk zum Beispiel nur danach gefragt, ob es Ausgaben für das Militär oder Steuerrabatte für Inseln stark kürzen möchte. Tsipras will das nicht tun. Stimme ihm das Volk in seinem Anliegen bei, stärke das nur seine Verhandlungsposition mit den Geldgebern, sagt er.

Etwas anders klingt das in den Worten des Chefs der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker. Ein Nein zu den Troika-Vorschlägen beim Referendum sei ein "Nein zu Europa", sagte er bei einer Pressekonferenz am Montag. Vieles spricht dafür, dass Juncker übertreibt, viel mehr spricht aber dafür, dass Alexis Tsipras der griechischen Bevölkerung nicht die ganze Wahrheit erzählt.

In einer Grauzone

Denn was würde wirklich geschehen, wenn Griechenland mit Nein abstimmt? Die Europäische Zentralbank (EZB) befindet sich mit ihren Nothilfen bereits jetzt in einer Grauzone und würde den griechischen Banken den Geldhahn wohl ganz zudrehen. Ihr ist es schlicht verboten, insolventen Instituten Geld zu leihen. Geht Griechenland bankrott – und davon ist ohne weitere Hilfen auszugehen –, sind auch die stark vom Staat abhängigen Banken pleite. Seit Anfang des Jahres sind mehr als 30 Milliarden Euro an Spareinlagen abgezogen worden, die Lage ist bereits jetzt mehr als prekär.

Ohne Geld lässt sich keine Bank führen – genauso wie ohne funktionierende Banken kein Land. Die Institute müssten daher rekapitalisiert werden, um sie wieder auf die Beine zu bringen. Die Banken des Landes können nicht über Monate geschlossen bleiben, das würde die Wirtschaft abwürgen, massenhaft Jobs vernichten und die soziale Lage noch weiter verschärfen.

Eigene Währung nötig

Dazu wäre aller Voraussicht nach aber eine eigene Währung notwendig, denn Drachmen kann die griechische Notenbank drucken, so viele sie will. "Bei einem Nein ist es schwer vorstellbar, wie Griechenland im Euro bleiben kann", sagt der Chef der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, Guntram Wolff. So stimmen die Griechen am Sonntag formell über die Troika-Vorschläge ab, de facto aber über den Euro.

Aber auch bei einem Ja bei der Abstimmung würde die nächste Zeit für Griechenland wohl alles andere als ruhig verlaufen. Im Juli sind weitere Anleihen fällig. Dazu bräuchte es rasch Geldmittel der EU. Das aktuelle Programm läuft heute, Dienstag, ab. Will Athen an Hilfsgelder gelangen, müsste ein neues aufgesetzt werden. Das erfordert wiederum den Weg durch die nationalen Parlamente.

Neuwahlen kosten Zeit

Dass die Tsipras-Regierung bei einem Ja zu den Troika-Vorschlägen weiterhin im Amt bleibt, ist darüber hinaus mehr als fraglich. Tsipras deutete das selbst bei seinem Fernsehinterview am Montagabend an. Neuwahlen kosten Zeit, die das Land nicht hat. Es könnte daher eine Parallelwährung neben dem Euro nötig sein, um Pensionen, Beamtengehälter und Sozialleistungen auszahlen zu können. Das hat Arnold Schwarzenegger etwa während der kalifornischen Budgetkrise als Gouverneur gemacht.

Die EU hat in der Krise immer wieder ihre Handlungsfähigkeit bewiesen und ebenso, dass Fristen und Regeln dehnbar sind. Selbst bei einem Nein könnte die EU Griechenland retten, wenn sie ihre Prinzipien über Bord wirft. Fest steht aber eines: Am Sonntag steht mehr auf dem Spiel, als Tsipras den Griechen vorgaukelt. (Andreas Sator, 30.6.2015)