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Mutmaßliche Gangmitglieder der Mara 18 werden im Viehanhänger in ein Gefängnis in Panchimalco, El Salvador, gebracht. Jedes Jahr sterben tausende Salvadorianer durch Bandenkriminalität.

Foto: AP / Manu Brabo

Polizeichef Javier Bernal ist nervös. Heute hat der salvadorianische Offizier eine ungewöhnliche Mission: Kinder unterhalten im Distrikt Italia, einem der brutalsten Viertel der Hauptstadt San Salvador. Einen aufblasbaren Pool und Schminke haben die Beamten mitgebracht; die größeren Kinder des ärmlichen Viertels dürfen mit den Dienstfahrrädern eine Runde drehen. Die Kirche spendet einen Snack, der Bürgermeister das Zelt und das Wasser.

Derartige Einsätze sind Idee des Nationalen Rats zur Sicherheit und zum friedlichen Zusammenleben, in dem seit 2014 Politiker, Experten, Kirche, Sicherheitskräfte und Zivilgesellschaft beraten, wie man der ausufernden Gewalt im Land Herr werden kann.

Tausende Morde pro Jahr

Genutzt hat es nichts: Tausende Menschen werden in dem Land mit sechs Millionen Einwohnern und der Fläche Niederösterreichs jedes Jahr getötet. Mit jährlich 61 Morden auf 100.000 Einwohner ist El Salvador derzeit das gewalttätigste Land Mittelamerikas und der Karibik nach Angaben des Globalen Friedensindexes (GPI).

Dabei war es schon besser: 2012 schlossen die verfeindeten Banden, die MS-13 und die Mara 18, unter Vermittlung der katholischen Kirche Waffenruhe. Die inhaftierten Bandenchefs wurden verlegt und erhielten bessere Haftbedingungen. Die Mordrate sank von 72 auf 36 Morde pro 100.000 Einwohner.

Doch der Waffenstillstand war umstritten. Hardliner sahen ihn als Kapitulation. Ein Jahr später machte die Regierung Zugeständnisse rückgängig, die Gewalt stieg an. Ziel der Banden sind seit Jahresbeginn vor allem Polizisten. Sie jagen sie, wenn sie freihaben und unbewaffnet sind. Mehr als 200 Angriffe verzeichnete die Polizei seit Jahresbeginn, 25 Uniformierte starben.

Im Würgegriff der Banden

Die Bevölkerung leidet unter dem Würgegriff der Banden, die einen Großteil des Landes kontrollieren. Wer kein Schutzgeld zahlt, stirbt. Wer die Polizei holt, stirbt. Will die Mara ein Haus, müssen die Besitzer innerhalb eines Tages verschwinden. Gefällt den Bossen ein Mädchen, wird es entführt. Wenn die Eltern Glück haben, kommt ihre Tochter nach brutalen Massenvergewaltigungen zurück. Das ganze Land lebt in Angst: Bei Einbruch der Dunkelheit verschanzen sich die Salvadorianer in ihren Häusern.

Die Reichen schotten sich hinter stacheldrahtbewehrten Mauern und Bodyguards ab und rufen nach einer "harten Hand". Die Armen sind der Brutalität ausgeliefert. Die Gewaltspirale hat eine Reihe von Gründen. Das Ende des Bürgerkriegs 1992 brachte nicht den wirtschaftlichen Aufschwung – dafür aber eine Generation, die mit Gewalt aufgewachsen und im Umgang mit Waffen geschult war. Der Staat, nach neoliberalen Vorgaben reduziert auf ein Minimum, sorgte weder für minimale soziale Absicherung noch für Arbeitsplätze oder Chancengleichheit.

Zerrissene Familien

Zweieinhalb Millionen Salvadorianer sind darum ausgewandert, vor allem in die USA. Zurück blieben zerrissene Familien. In den USA wuchs eine orientierungslose Generation junger Mi granten auf. Viele wurden straffällig und in die Heimat abgeschoben – sie kopierten dort die in den USA gelernten Bandenstrukturen.

Journalist Hector Silva meint, die Jugendbanden seien nur der vorgeschobene Sündenbock. Sie seien Handlanger krimineller Kartelle, die El Salvador als Plattform für den Kokainhandel nutzen. Laut seinen Recherchen ist es ein ausgeklügeltes System, das von einer korrupten Polizei erhalten wird und das in die Militärdiktatur zurückreicht.

"Die rechte Elite wollte nach dem Friedensvertrag die Sicherheitskräfte weiter kontrollieren. Zahlreiche Militärs wurden in die neue Zivilpolizei übernommen, trotz des Widerstands der Uno. Sie brachten nicht nur Kontakte mit, sondern auch all ihre schmutzigen Tricks, von Menschenrechtsverletzungen bis zur Korruption", sagt Silva. (Sandra Weiss, 30.6.2015)