Die FLÖ kamen auf Platz vier und stellen nun mit Philip Flacke den Vorsitzenden der ÖH: "Ich kann sehr wohl für alle Studierenden sprechen, unabhängig vom Wahlergebnis", sagt er.

Foto: Oona Kroisleitner

Wien – Philip Flacke von den Fachschaftslisten (FLÖ) ist am Freitag zum neuen Vorsitzenden der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) gewählt worden. Seine erste Stellvertreterin ist Meryl Haas (Gras), zweite Stellvertreterin ist Lucia Grabetz (VSStÖ) und Generalsekretärin wird Magdalena Goldinger (Fest). Grabetz wird nach dem ersten Jahr den Vorsitz übernehmen. Damit wird die ÖH auf Bundesebene wieder von einer linken Mehrheit geführt.

Die FLÖ haben bei den ÖH-Wahlen im Mai den vierten Platz erreicht, wurden aber von einer linken Koalition genauso für eine Mehrheit gebraucht wie von der Aktionsgemeinschaft (AG). "Wir hatten eine gute Verhandlungsposition", sagt Flacke. Im Interview mit dem STANDARD sagt er, warum keine Koalition mit der AG zustande gekommen ist und warum er gegen neue Zugangsbeschränkungen ist.

STANDARD: Die FLÖ haben bei der ÖH-Wahl viele Mandate verloren. Jetzt sind Sie Vorsitzender. Wie ist es dazu gekommen?

Flacke: Wir hatten eine gute Verhandlungsposition. Wir haben gut verhandelt, wir haben keine übertriebenen Forderungen gestellt. Wir wollten bildungspolitische Posten in der Bundesvertretung besetzen und den Vorsitz. Wir hatten uns ausgerechnet, dass wir den kriegen werden, weil unsere Fraktion in allen möglichen Konstellationen für eine Koalition nötig war. Dass es so gekommen ist, wie es jetzt gekommen ist, überrascht mich. Aber das macht keinen Unterschied. Wir werden als Vorsitzteam gemeinsam arbeiten.

STANDARD: Mit welcher Konstellation hätten Sie gerechnet?

Flacke: Ich hätte geglaubt, dass die Gras jedenfalls auch den Vorsitz bekommt.

STANDARD: Wie rechtfertigen Sie Ihren Vorsitz vor den Wählern? Die Mehrheit hat die Aktionsgemeinschaft gewählt. Die FLÖ sind an vierter Stelle.

Flacke: Wir vertreten auch als FLÖ sehr viele Studierende. An den Hochschulen selbst sind wir sehr stark. Wir haben acht absolute Mehrheiten. Ich kann sehr wohl für alle Studierenden sprechen, unabhängig vom Wahlergebnis. Man kannte uns an vielen Hochschulstandorten nicht, das müssen wir für die nächsten Direktwahlen auf Bundesebene hinbekommen. Dort, wo uns die Personen aus der Arbeit an der Hochschule kennen, werden wir auch gewählt.

STANDARD: Was werden Sie bildungspolitisch als Vorsitzender als Erstes umsetzen?

Flacke: Es steht eine Novelle des Universitätsgesetzes an. Da werden wir mitverhandeln. Wir hätten gerne eine sogenannte Durchlässigkeitsplattform. Die Hochschulen sollen Daten rückmelden, wie die Anerkennung zu einem Studium gelaufen ist. Wenn zum Beispiel jemand in Graz ein Bachelorstudium abgeschlossen hat, den Master in Klagenfurt fortsetzen will und zu einem bestimmten Kurs zugelassen wird, dann sollen diese Daten veröffentlicht werden. Die Studierenden sollen darauf zugreifen können und dadurch besser darüber Bescheid wissen, welche Auflagen sie erfüllen müssen. Dadurch würde die Bachelor/Master-Struktur endlich studierbar werden.

STANDARD: Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner schlägt neue Zugangsbeschränkungen in Rechtswissenschaften und Chemie vor. Was halten Sie davon?

Flacke: Ich bin ganz klar dagegen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Chemie beschränkt werden soll. Ich frage mich, ob das wirklich durchdacht wurde. Da wird für hunderttausende Euros eine Kampagne für MINT-Fächer gefahren und dann beginnt man, dieses Fach zu beschränken. Tut mir leid, das ist keine Bildungspolitik, das ist kurzfristiges, fahrlässiges Denken.

STANDARD: Die anderen linken Fraktionen, mit denen die FLÖ jetzt koaliert, setzen sich auch für Gesellschaftspolitik ein und fordern zum Beispiel günstigeres Wohnen für Studierende. Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen Gesellschafts- und Universitätspolitik für Ihre Arbeit?

Flacke: Politik für Studierende hört nicht dort auf, wo die Hochschule endet. Wenn ich mir meine Wohnung nicht leisten kann oder nicht arbeiten kann, weil ich Studierender aus einem Drittstaat bin, dann sind das Dinge, die in die Arbeit der ÖH hineinspielen. Man sollte nicht zu allen gesellschaftspolitischen Themen Stellung beziehen, aber zu dem, was Studierende betrifft. Auch gegen Rechtsextremismus muss man sich immer positionieren. Da gibt es innerhalb der Koalition keine Differenzen. Das ist übrigens auch Konsens mit allen Fraktionen gewesen, mit denen wir gesprochen haben.

STANDARD: Die Aktionsgemeinschaft sieht das anders.

Flacke: Im Wahlkampf ja, in den Koalitionsverhandlungen hat das anders ausgesehen.

STANDARD: Warum haben Sie dann doch nicht mit der AG koaliert?

Flacke: Das wäre im Endeffekt auf eine Minderheitsexekutive hinausgelaufen. Der dritte Partner hat gefehlt.

STANDARD: Die Junos wären nicht dabei gewesen?

Flacke: Mit denen hätten wir Schwierigkeiten bekommen was Zugangsbeschränkungen angeht. Das Konzept der nachgelagerten Studiengebühren ist ein Irrwitz. Die Verwaltungskosten wären viel höher als das, was dadurch hereinkommt. Was würde dann noch passieren? Der Staat würde den Universitäten noch weniger Geld geben. Das Konzept ist nicht zu Ende gedacht. Man hätte also eine Minderheitsexekutive mit Stützung machen müssen und da bevorzuge ich eine Mehrheitsvariante.

STANDARD: Hätte die AG Ihnen auch den Vorsitz angeboten?

Flacke: Dazu will ich nichts sagen.

STANDARD: Die Wahlbeteiligung bei den ÖH-Wahlen war wieder sehr niedrig. Wie wollen Sie das ändern?

Flacke: Es gibt eine sehr kleine, konkrete Maßnahme: Man müsste einen der Wahltage auf einen Freitag legen. An ganz vielen Fachhochschulen und auch an der Donau-Uni Krems, wo sehr wenige Studierende gewählt haben, finden die Vorlesungen oft am Wochenende statt. Die können nicht am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag zur Wahl gehen. Hier müssen wir nachschärfen.

STANDARD: Andere sagen, es liegt am schlechten Image der ÖH.

Flacke: Natürlich, das Image ist durch ungünstige Geschichten negativ besetzt, die in der Vergangenheit gelaufen sind.

STANDARD: Sie meinen das Café Rosa?

Flacke: Zum Beispiel. Das war ein Projekt der Universität Wien, das aber eins zu eins auf die Bundesvertretung der ÖH umgelegt worden ist. Da wird nicht unterschieden, und das ist das Problem. Wenn ich mit jemanden aus Klagenfurt darüber spreche und erklären möchte, dass die ÖH-Bundesvertretung etwas ganz anderes ist, als das, was da passiert ist, dann ist das schwer.

STANDARD: Kann die niedrige Wahlbeteiligung auch daran liegen, dass es immer linke Koalitionen gibt, obwohl die Aktionsgemeinschaft die meisten Stimmen bekommt?

Flacke: Wir haben die Mehrheit der Stimmen. Wenn man sich wirklich gute Wahlbeteiligungen anschauen will, dann muss man sich die Uni-Brennt-Zeit anschauen. In Klagenfurt sind damals 80 Prozent der Studierenden wählen gegangen. Du brauchst Aufhänger, dann werden Leute politisiert und beginnen, sich für die Wahlen zu interessieren. In Klagenfurt höre ich auch oft: Ihr macht doch eh einen guten Job. Die Studierenden fragen sich, ob sie dann wirklich noch ihre Stimme abgeben müssen. Mit geringer Wahlbeteiligung haben auch andere zu kämpfen. Bei Kammerwahlen sieht es ganz genau so aus. Niemals würde jemand die Legitimation der Arbeiterkammer infrage stellen. Natürlich haben wir als ÖH eine Legitimation. Auch wenn weniger Leute wählen gehen, haben sie uns einen klaren Auftrag gegeben und dem fühle ich mich verpflichtet.

STANDARD: Sie sind 35 und Student. Wie ist es dazu gekommen?

Flacke: Ich habe vorher sieben Jahre als Softwareingenieur gearbeitet und irgendwann festgestellt, dass ich in diesem Job nicht mehr richtig bin. Ich wollte mit Menschen arbeiten. Nach längerem Nachdenken habe ich über einen Freund die Psychologie für mich entdeckt. Er hat in Klagenfurt studiert und hat mir davon erzählt. Ich war von dem Studium begeistert. Zuvor habe ich mir die Psychologie-Studien in Deutschland angeschaut und ich war ziemlich enttäuscht, weil das Studium dort sehr technisch ausgelegt ist. (Lisa Kogelnik, 26.6.2015)