Brüssel – Im Schuldenstreit mit Griechenland stellen die internationalen Geldgeber weitere Milliardenhilfen in Aussicht, wenn das Euro-Land die Reformauflagen in letzter Minute akzeptiert. Laut Unterlagen der Gläubiger-Institutionen, die an Bundestagsabgeordnete geleitet wurden, könnte das Hilfsprogramm bis Ende November verlängert werden.

Dem von der Pleite bedrohten Land könnte bis dahin rund 15,3 Mrd. Euro zufließen. Die bisher für die Bankenrettung vorgesehenen Mittel sollen teilweise zur Finanzierung des griechischen Staates umgewidmet werden, wie aus dem Papier hervorgeht. Es werde zudem angenommen, dass "ein neues 3-Jahres-Programm" mit weiterer Finanzierung notwendig sei, heißt es in einer zweiseitigen vorläufigen Analyse zur Schuldentragfähigkeit des Landes.

Einigung noch in weiter Ferne

Doch die griechische Regierung ist mit ihren Vorschlägen zur Lösung des Schuldenstreits in einer Reihe von Punkten von den Forderungen der internationalen Gläubigern entfernt. So beharrt die Regierung in Athen darauf, dass Hotels unter den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 13 Prozent fallen, während die Gläubiger den Höchstsatz von 23 Prozent verlangen. Dies geht aus den Vorschlägen hervor, die der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis den Euro-Finanzministern in Brüssel präsentiert hatte und die Reuters vorliegen.

Die Verteidigungsausgaben sollen demnach 2016 nur um 200 Millionen Euro statt wie gefordert um 400 Millionen Euro gekürzt werden. Differenzen gibt es unter anderem auch beim Thema Privatisierungen.

Merkel: "Großzügiges Angebot"

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte die griechische Regierung auf, den Vorschlägen der internationalen Geldgeber zuzustimmen. Die Gläubiger-Institutionen hätten Athen ein "außergewöhnlich großzügiges Angebot" unterbreitet, sagte Merkel am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel.

Das Angebot der Gläubiger gehe über die Konditionen des bisherigen Hilfsprogramms hinaus, sagte Merkel. Wie immer basiere eine Lösung aber auf dem Prinzip, dass "Solidarität auf der einen Seite" und "Anstrengungen auf der anderen Seite" nötig seien. Einen erneuten Gipfel der Euro-Länder in der Griechenland-Frage schloss sie aus. Die Lösung müsse Athen nun mit den Gläubiger-Institutionen und den Euro-Finanzministern aushandeln.

Juncker: Kein "friss oder stirb"

Nach dem EU-Gipfel sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der Standpunkt der Institutionen sei "keine take it or leave it"-Position. So funktionieren wir nicht. Es gehe nicht um "friss oder stirb".

Es gehe darum, das griechische Volk und deren Regierung "zu achten". Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem werde am Samstag versuchen, die beiden Standpunkte zusammen zu bringen. "Das wird nicht einfach sein."

Chancen laut Schäuble bei 50:50

Darüberhinaus mahnte Merkel eine Einigung an diesem Wochenende an. Entscheidend sei das Treffen der Euro-Finanzminister am Samstag in Brüssel. Laut dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sind die Chancen einer Einigung genauso groß wie die Möglichkeit eines Scheiterns.

Die Zeit wird knapp, da eine Vereinbarung noch vor Ablauf des 30. Juni vom Parlament in Athen wie auch vom Bundestag bestätigt werden müsste. Das bereits mehrfach verlängerte zweite Hilfsprogramm für Griechenland endet eigentlich am kommenden Dienstag. Dann ist auch eine Zahlung von 1,6 Mrd. Euro aus Athen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) fällig. Gelingt eine Einigung nicht, wäre Griechenland zahlungsunfähig. Die Gläubiger-Institutionen Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäische Zentralbank (EZB) und EU-Kommission beharren im Gegenzug auf Reformen, durch die Griechenland sparen wie auch mehr Geld einnehmen soll.

Gespräche mit Tsipras, Merkel, Hollande

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras traf am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel Kanzlerin Merkel und Frankreis Präsident François Hollande und klagte nach Angaben aus seiner Regierung über die harte Haltung der Gläubiger. Sein Finanzminister Yanis Varoufakis sprach von Forderungen, die Griechenland nicht akzeptieren könne. Dabei geht es unter anderem um Erhöhungen der Mehrwertsteuer und Kürzungen bei den Pensionen, die die Gläubiger verlangen, bei denen sie Griechenland am Donnerstag aber entgegengekommen waren.

Das Beharren auf einem Einlenken Griechenlands ergänzen die Gläubiger nun durch die Überlegung, die Finanzhilfen zu verlängern. Dem Reuters vorliegenden Dokument zufolge erwägen die Gläubigerinstitutionen IWF, EZB und EU nicht nur, für den Fall einer Einigung das Hilfsprogramm um fünf Monate zu verlängern. In einem weiteren Dokument erörtern sie auch die Schuldentragfähigkeit Griechenlands – mit dem Ergebnis, dass der von der griechischen Regierung geforderte Schuldenerlass nicht notwendig sei. (APA, 26.6.2015)