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Mexiko: Die Mehrheit der Bevölkerung fühl sich wohl, obwohl Beobachter dem Land großes Konfliktpotenzial attestieren.

Foto: REUTERS/Edgard Garrido

Wien – Ist das Wohlbefinden von Menschen stärker ausgeprägt, wenn sie in friedlicheren Ländern leben? Es klingt nach einer naheliegenden Hypothese. Wenn man den Ergebnissen zweier kürzlich veröffentlichter Studien glaubt, sollte eine simple Gegenüberstellung der Listen diese Frage beantworten können.

Für den "Global Peace Index" (GPI) definierten die Forscher des Institute for Economics and Peace 23 Indikatoren, die die Präsenz von Konflikten und Krisen in 160 Ländern der Welt messen – etwa die Gefahr terroristischer Anschläge, gewaltsame Vertreibungen, eine hohe Rate an Tötungsdelikten, politische Instabilität, Waffenimporte und Kriegshandlungen auf eigenem oder fremdem Territorium.

Der am Mittwoch veröffentlichte "Well Being-Index" (WBI) der Unternehmen Healthways und Gallup wiederum fasst die Ergebnisse von 146.000 Interviews zur Frage nach dem Wohlbefinden der Bewohner von 145 Staaten zusammen. Fünf Elemente wurden abgefragt: die Zufriedenheit mit dem Sinn der Tätigkeiten im Alltag, mit den sozialen Beziehungen, mit dem finanziellen Umfeld, mit der Nachbarschaft beziehungsweise der Wohnumgebung und mit dem körperlichen Wohlergehen.

Überschneidungen vorne und hinten

Vor allem im vorderen Bereich der Listen zeigt der Vergleich erwartbare Überschneidungen bei der Platzierung einzelner Länder. So steht Österreich beim GPI an dritter Stelle und erreicht beim WBI mit Platz neun ebenfalls eine Spitzenposition. Auch die Schweizer (Ränge drei und vier) und die Dänen (Ränge sieben und eins) leben in sowohl von Frieden als auch von persönlichem Wohlbefinden geprägten Umfeldern.

Auf den hinteren Rängen sind ebenfalls teils deutliche Überlagerungen zu erkennen. Afghanistan liegt in beiden Aufstellungen an letzter, die Demokratische Republik Kongo jeweils an fünftletzter Stelle. Ähnliche Parallelen weisen Simbabwe, die Ukraine, Ägypten und der Tschad auf.

Übereinstimmungen sind nicht die Norm

Und doch sind nicht die augenfälligen Übereinstimmungen die Norm, sondern die Differenzen in der Platzierung. Mexikaner fühlen sich wohl (Rang zehn), obwohl sie wegen der zehntausenden Toten im Krieg gegen Drogen in einem der unsichersten Länder leben (Rang 145 im GPI). Umgekehrt könnte das Wohlbefinden der Menschen in Bhutan kaum schwächer ausgeprägt sein (Rang 144 im WBI), wiewohl sie ihren Alltag im – hinter Japan – zweitfriedlichsten Staat Asiens verbringen (Rang 18 im GPI).

Tendenziell zeigt sich in einem Streudiagramm, dass afrikanische Staaten (gelb) in beiden Indizes weit hinten liegen, während etwa die Bewohner zentralamerikanischer (violett) und südamerikanischer (dunkelblau) Staaten ganz unabhängig von den Friedenswerten häufig positive Antworten auf die Frage nach ihrem Wohlbefinden geben. Umgekehrt führen Bürger europäischer Staaten (grün) trotz einer relativ friedfertigen Umgebung mehrheitlich nur mittlere Werte beim Wohlergehen an. Die Länder Asiens (rot) verteilen sich ohne erkennbare Struktur nahezu über das gesamte Diagramm.


Wenn die erhobenen Daten nur annähernd der Realität entsprechen, lässt sich aus der Gegenüberstellung ableiten, dass manche Menschen trotz bewaffneter Konflikte in der unmittelbaren Umgebung hohes Wohlbefinden verspüren, während anderen trotz eines relativ friedlichen Lebensalltags offenbar andere wichtige Faktoren zum Wohlergehen fehlen.

Ausgeprägtes Wohlempfinden in Österreich

Ein detaillierter Blick auf Österreich im neuen "Well Being-Index" zeigt: Mit den finanziellen Rahmenbedingungen sind die Bewohner im Mittel sehr zufrieden (Rang fünf hinter Norwegen, Schweden, Schweiz und den Niederlanden), in den Top 20 befindet sich Österreich auch bei den Fragen nach dem Sinn der Tätigkeiten im Alltag (Rang elf) und nach der Wohnumgebung (Rang 18). Auf Rang 29 liegen die Österreicher beim körperlichen Wohlergehen, die schlechteste Teilbewertung gab es mit Rang 47 von 145 untersuchten Ländern bei der Zufriedenheit mit den Sozialkontakten. Insgesamt ergibt das Platz neun hinter dem von zentralamerikanischen Staaten dominierten und von Panama angeführten Spitzenfeld.


Details zum Abschneiden beim "Global Peace Index" finden Sie in diesem Artikel. (Michael Bauer, Michael Matzenberger, 26.6.2015)