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Mit der "Ajax" – Baujahr 1926, wie die Queen – fuhren der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck und Elizabeth II auf der Spree.

Foto: EPA/HANNIBAL HANSCHKE / POOL

Nur schauen. Nicht winken oder gar jubeln. Das ist die Devise der Berlinerin Ilse. Dafür hat sich die Pensionistin hinter ein Absperrgitter gezwängt und wartet mit gezückter Minikamera. Doch als sie dann für eine Sekunde den Blick auf Elizabeth Alexandra Mary aus dem Hause Windsor erhaschen kann, ist sie doch beeindruckt: "Wahnsinn! In dem Alter! Mir tut jeder Knochen weh."

Die Queen besucht Deutschland, und in der Tat ist dies eine der am meisten diskutierten Fragen: Wie schafft die 89-Jährige ein solches Programm? Kurz vor halb elf steigt sie vor dem Hotel Adlon am Brandenburger Tor in ihren Bentley und lässt sich mitsamt Gatten Philip (94) zunächst ins Schloss Bellevue chauffieren.

Vier Kanzler begrüßt

Das kennt sie bereits, denn es ist ja nicht ihre erste Deutschlandvisite. Viermal hat sie die Bundesrepublik in den vergangenen 50 Jahren zuvor schon offiziell besucht und dabei vier Kanzlern die Hand geschüttelt.

Bei der Ankunft vor Schloss Bellevue, dem Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten, muss sie sich jedoch sehr heimisch fühlen. Wind, Regen, zwölf Grad, und First Lady Daniela Schadt absolviert artig einen Knicks. Geschenke gibt es natürlich auch. Aber das ist nicht so einfach. Was schenkt man jemanden, der erstens eh alles hat und zweitens schon zum fünften Mal da ist?

Lilibeth auf dem Pony

Gauck hat sich für ein Gemälde von Nicole Leidenfrost entschieden. Es zeigt die neunjährige Queen – damals noch Lilibeth – auf einem Pony, daneben steht ein Mann. "Soll das mein Vater sein?", fragt Elizabeth II entgeistert. Prinz Philip interessiert sich derweil mehr für die Auswahl von Lübecker Marzipan auf dem Tisch daneben.

Dann wird es vertraulich. Queen und Präsident sprechen miteinander, und es dringt selbstverständlich nichts nach draußen. Aber es ist klar, welches Thema über dem Besuch hängt: ein möglicher "Brexit", also der Austritt Großbritanniens aus der EU, sollten sich die Briten 2017 in einem Referendum dafür entscheiden.

Der britische Premier David Cameron will eigentlich keinen Austritt, die Queen wohl auch nicht. Also werben die beiden in Berlin für die Forderungen Großbritanniens für eine EU-Reform. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Cameron schon vorsichtige Unterstützung zugesagt.

"I lived in East Germany"

Apropos Merkel: Sie ist die Nächste auf dem royalen Programmpunkt. Weil die Queen so gern Schiff fährt, schippert Gauck mit ihr auf der Spree bis zu Königin Angela. Dort hängen genauso viele Schaulustige über den Zäunen wie außerhalb. Die Queen winkt manchmal ein wenig reduziert und spricht deutlich weniger als der Bundespräsident. Vielleicht denkt sie gerade an ihr Londoner Heim, den Buckingham Palace. Da dieser umfassend saniert werden soll, muss die Queen für eine Weile ausziehen.

Ein Hofknicks der Kanzlerin? Fehlanzeige. Wie nicht anders zu erwarten, begrüßt Merkel den Gast mit Händedruck. Hinein geht es ins Kanzleramt, hinauf in Merkels siebte Etage. Merkel zeigt ihr von dort aus den einstigen Verlauf der Berliner Mauer und erklärt: "I lived in East Germany."

Kaum ist die Queen wieder weg, kommt schon der nächste Besuch aus London, nämlich Cameron himself, zu Merkel. Er will im Sog der Queen-Visite auch noch Stimmung für die britischen EU-Wünsche machen. Seine Königin legt noch an der Neuen Wache einen Kranz nieder und lauscht an der Technischen Universität einem Vortrag. Als ihr dort ein Roboter vorgeführt wird, gibt es eine echte Premiere: Die Queen lächelt zum ersten Mal ganz herzlich. (Birgit Baumann aus Berlin, 24.6.2015)