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Trotz starker Abverkäufe sind die Umsätze im Einzelhandel auch heuer nicht prickelnd.

APA, Fohringer

Wien – Wer sich den Kollektivvertrag für Österreichs Angestellte im Handel vor Augen hält, sieht meist den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Selbst für Juristen ist er mit seiner breiten Palette an Beschäftigungsgruppen, die teils noch aus den 60er-Jahren stammen, kaum zu durchblicken. Seit eineinhalb Jahren wird daher entrümpelt. 2016 hätte das neue Paket stehen sollen – doch bis es fertiggeschnürt ist, wird es nun bis 2017 dauern.

"Wir haben im Vorfeld unterschätzt, was hier alles dranhängt", sagt Peter Buchmüller. Es gelte, alte Berufe wegzulassen, neue abzudecken und erfordere haarscharfe Abgrenzungen. "Das alles braucht Zeit." Buchmüller ist langjähriger Chefverhandler bei den Kollektivvertragsverhandlungen und ab sofort neuer Bundesobmann in der Wirtschaftskammer für die Sparte Handel. Der Lebensmittelhändler aus Salzburg folgt Bettina Lorentschitsch nach, die Präsidenten der Julius Raab Stiftung wird.

Die Reform sei die größte Systemumstellung, die es je auf Ebene der Kollektivverträge in Österreich gegeben habe, sagt Manfred Wolf. Der Gewerkschafter spricht wie Buchmüller von konstruktiven und guten Fortschritten.

Höhere Rabatte für Mitarbeiter

Neue Spielregeln gibt es für die fast 600.000 Handelsbeschäftigten derweil an anderer Front. Betriebe bewegten sich mit Rabatten für ihre Mitarbeiter lang rechtlich auf Glatteis und fühlten sich dabei der Willkür ihrer Steuerprüfer ausgesetzt. Seit kurzem ist klar: Künftig sind Ermäßigungen von bis zu 20 Prozent steuerfrei. Die Freigrenze verdoppelt sich auf tausend Euro.

Weltfremd sei es, dass die eigenen Mitarbeiter bisher aus Preisgründen oft gezwungen waren, bei der Konkurrenz einzukaufen, sagt Modehändlerin Jutta Pemsel, eine Stellvertreterin Buchmüllers. Lob ob der Reform kommt auch vom Handelsverband: Die Rabatte seien wichtiges Instrument zur Mitarbeiterbindung und Motivation.

Kalte-Hände-Regelung

An anderen Baustellen mangelt es im Zuge der Steuerreform aus Buchmüllers Sicht freilich nicht. Er fordert etwa Nachbesserungen bei der sogenannten Kalte-Hände-Regelung. Ab 2016 müssen künftig auch jene Berufsgruppen ihre Bareingänge- und -ausgänge aufzeichnen und belegen, die unter freiem Himmel handeln, vom Maroniebrater bis zum Marktfahrer.

Die Registrierkassenpflicht gilt zwar erst ab einem Jahresumsatz von netto 30.000 Euro. Buchmüller hält jedoch auch das für unzumutbar. Denn der bürokratische Aufwand stehe in keiner Relation zu den schmalen Umsatzbeträgen.

Seine Branche will die komplette Streichung der Umsatzgrenze für die Kleinstbetriebe ohne fixen Verkaufsstand: Nicht zuletzt seien ja auch bäuerliche Anbieter davon ausgenommen.

Zankapfel Registrierkasse

Ebenfalls auf der Arbeitsagenda des neuen Handelsobmanns: Entgegen den Plänen der Bundesregierung sollen auch Online-Shops in Österreich von der Registrierkassenpflicht ausgenommen bleiben. Schließlich sei es skurril und "wider der Idee des Internetshoppens", wenn den Konsumenten dabei letztlich physisch Rechnungen zugesandt werden müssten.

Geht es nach der Wirtschaftskammer, darf die Registrierkasse auch für die Automatenbetreiber nicht verpflichtend sein: Belege etwa für jedes Packerl Zigaretten, das aus dem Automaten geholt werde, seien nicht sachgerecht.

Das Umfeld, in dem der Handel um sein Leiberl rennt, wird nicht einfacher. Nach dem schwachen Vorjahr stagnierten die Umsätze der Unternehmen unterm Strich real bisher auch heuer. "Der März war gut, der April durchwachsen", sagt Lorentschitsch. Dass die Geschäfte nicht prickeln, bestätigt auch Handelsverbandspräsident Stephan Mayer-Heinisch.

Schwacher Konsum

Die Konsumlust sei nicht zurückgekehrt. Dafür brauche es klare Rahmenbedingungen. Stattdessen aber werde monatelang über Details der Steuerreform geredet, die schon längst vorab geklärt werden hätten müssen. Gewerkschafter Wolf sieht im Handel hingegen nach wie vor Stabilität. "Die Betriebe schlagen sich tapfer." Die positiven Effekte der Lohnsteuerreform würden jedenfalls 2016 Bewegung in den Konsum bringen. (Verena Kainrath, 25.6.2015)