Bild nicht mehr verfügbar.

Auf der "Bestie" reisen nur noch wenige Migranten.

Foto: AP Photo/Rebecca Blackwell

Vor einem Jahr saßen sie zu Hunderten auf dem Dach der "Bestie", des Migrantengüterzugs, der Mexiko von Süd nach Nord durchquert. Heute trifft man auf dem Zug nur noch kleine Gruppen mittelamerikanischer Auswanderer, selten mehr als ein paar Dutzend.

Mexiko hat sich in einen erfolgreichen vorgelagerten US-Grenzposten verwandelt: Offiziellen Zahlen zufolge schob das Land zwischen Oktober und April erstmals mehr illegale Einwanderer aus Mittelamerika ab als die USA. 92.889 Menschen wurden von Mexiko zurückgeschickt, in den USA wurden 70.226 festgenommen, berichtet die US-Menschenrechtsorganisation Washington Office on Latin America. Ein Jahr zuvor war die Situation noch umgekehrt: Während die US-Behörden knapp 160.000 mittelamerikanische Einwanderer festnahmen, waren es in Mexiko nur 50.000.

Minderjährige Einwanderer

Aus Sicht der USA ist das Programm "Southern Border", das voriges Jahr nach einer beispiellosen Einwanderungswelle mittelamerikanischer Kinder implementiert wurde, damit ein Erfolg. Wegen der komplizierten internationalen Rechtslage können Minderjährige nicht sofort nach Mittelamerika zurückgeschickt werden. Das hatte sich in Schlepperkreisen herumgesprochen, und die Zahl minderjähriger Migranten erhöhte sich 2014 dramatisch um fast 80 Prozent.

US-Präsident Barack Obama wurde für die eskalierende Notlage von den einwanderungsfeindlichen Republikanern ebenso kritisiert wie von Menschenrechtlern, die die unwürdige Behandlung und Unterbringung der Minderjährigen in Lagern anprangerten.

Verschärfte Kontrollen

Auf Druck der US-Regierung verschärfte Mexiko im Juli 2014 die Kontrollen an seiner Südgrenze. Unter anderem wurden die Sicherheitsvorkehrungen rund um die "Bestie" verschärft und deren Geschwindigkeit beschleunigt, damit die Migranten nicht mehr auf den fahrenden Zug aufspringen können. 5.000 zusätzliche Polizisten wurden in das Grenzgebiet entsandt, weitere Grenzposten aufgemacht, die Straßensperren vervielfacht.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission zeigte sich wegen der Übergriffe auf Migranten und Menschenrechtsaktivisten besorgt; mexikanische Menschenrechtler werfen ihrer Regierung vor, humanitäre Politik über Bord zu werfen, um die "Drecksarbeit für die USA" zu erledigen.

Gefährliche neue Routen

"Die Routen ändern sich. Migranten sind jetzt gezwungen, in kleineren Gruppen zu reisen und zu Fuß zu gehen, was viel riskanter ist, weil sie so leichter zum Opfer von Menschenhändlern und Wegelagerern werden", sagt Pfarrer Alejandro Solalinde. "Vermummte Polizisten machen Jagd auf Migranten. Sie durchsuchen Hotels und jagen sie vom Zug", erzählt Migrationsanwalt Rubén Figueroa. "Aber es werden nicht weniger. Jede Nacht marschieren Hunderte Richtung Norden, Jugendliche, Männer und Frauen mit kleinen Kindern."

"Die USA haben das Problem nach Mexiko ausgelagert, und Mexiko hat die Rolle des Abschiebers übernommen", kritisiert Maureen Meyer von Wola. Ihr zufolge werden die Migranten umgehend in ihre Heimatländer zurückgeschickt – ohne Prüfung der individuellen Notlage oder dem Anrecht auf ein humanitäres Visum. Länder wie El Salvador und Honduras haben mit die höchsten Mordraten der Welt, und der Staat wird vom organisierten Verbrechen unterwandert oder lahmgelegt. Allein die Tatsache, blond und hübsch zu sein oder nicht für die Mafia arbeiten zu wollen, könne ein Todesurteil sein. (Sandra Weiss aus Puebla, 25.6.2015)