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Lipide bilden eine Membran um die lebende Zelle und spielen bei der Immunabwehr gegen Pathogene eine entscheidende Rolle.

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Grafik: Der STANDARD

Krankheitserreger haben es eigentlich gar nicht so leicht, in den Menschen einzudringen, denn das Immunsystem verfügt gleich über mehrere Abwehrmechanismen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Zellmembran: Proteine können hier die Pathogene erkennen, Makrophagen fressen sie auf. Was zwei gegengleich orientierte Schichten von Fettbestandteilen (Lipiden) in der Zellmembran im Detail machen, ist bisher noch nicht erforscht. Wissenschaftern des Wiener Zentrums für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist es nun gelungen, in zwei zeitgleich publizierten Arbeiten mehr Klarheit in diesem Bereich der Zellbiologie zu schaffen.

Vorhersage möglich

In jenem Paper, das am 2. Juli mit Cover in der Printfassung des Magazins Cell erscheint (nach einer Online-Veröffentlichung vergangene Woche), wird klar, dass die Lipidmembran nach einem höheren Organisationsmuster angeordnet ist. Eine Co-Regulation, die in allen Zellen, aber auch bei Maus und Menschen den gleichen Prinzipien folgt. Darauf aufbauend lässt sich eine Vorhersage treffen, welche Lipide eine Immunantwort stimulieren und welche diese unterdrücken.

Co-Erstautorin der Arbeit, die im Labor von CeMM-Direktor Giulio Superti-Furga war die Doktorandin Marielle Köberlin. Sie wollte die Lipide systematisch analysieren, dachte aber nie daran, hier eine Regelmäßigkeit vorzufinden. Darauf brachte sie erst die Bekanntschaft mit dem Bioinformatiker und Co-Erstautor Berend Snijder. Eigentlich ein Zufall, der aber wie in vielen Fällen der wissenschaftlichen Arbeit den entscheidenden Dreh gegeben hat. "Anfangs haben wir nach Literatur gesucht, ob sich jemand diese Lipidanordnungen schon angeschaut hat. Zu unserer großen Erstaunen fanden wir nichts," sagt sie.

Ringförmige Anordnung

Warum sich niemand zuvor diese Organisationsstruktur angesehen hat? "Weil der Blickwinkel ein anderer war. Wir Systembiologen schauen genau auf Organisationsmuster und darauf, wie die Bestandteile voneinander abhängig sind", ergänzt Superti-Furga, der die ringförmige Anordnung der Lipide als "regulatorischen Donut" bezeichnet und von der Entdeckung einer Gesetzmäßigkeit in der Zelle spricht, "die man vorher so nicht kannte". Vielleicht könne man es sogar mit dem Periodensystem der Chemie vergleichen? "Im Bereich der Lipide haben wir sicher etwas ganz Ähnliches entdeckt, das weitere Forschungsarbeiten nun deutlich erleichtern sollte", sagt Superti-Furga,

Eine zweite, darauf bereits aufbauende Arbeit ist ebenfalls vergangene Woche online in Cell Reportserschienen. Leonhard Heinz hat gemeinsam mit Wissenschafter der Medizinischen Universität Wien und der National University of Singapore nachgewiesen, dass ein Enzym auf der Oberfläche der Makrophagen die Anordnung der Lipide beeinflusst und die Immunantwort daher reguliert. Dieses Enzym, dem man den Namen SMPDL3B gab, bremst allerdings die Immunabwehr, und zwar über die Veränderung der Flüssigkeit der Zellmembran. Mäuse ohne das Enzym zeigten, wie die CeMM-Forscher sagen, auf entsprechende Reize verstärkte Entzündungszeichen.

Künftige Lehrbücher

Für Superti-Furga ist das erst der Anfang, um die Rolle der Lipide während der Immunabwehr und in der Biologie der Zelle besser zu verstehen. "Wir haben einen ersten, wichtigen Schritt gemacht." Weitere sollten folgen – wenn es nach dem Wunsch des Direktors geht, auch am CeMM. Und irgendwann wird das ringförmige Regulationsprinzip von Lipiden vielleicht wirklich Bestandteil von zukünftigen Biochemielehrbüchern, wie Superti-Furga recht euphorisch meint. (Peter Illetschko, 24.6.2015)