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Russlands Präsident Wladimir Putin will schnell auf die Verlängerung der EU-Sanktionen reagieren. Ob Moskau weitere Maßnahmen gegen die EU setzen will, ist auch in seiner Regierung umstritten.

Foto: REUTERS/Grigory Dukor

Russland hat die Verlängerung der EU-Sanktionen scharf kritisiert. "Besonders zynisch" sei, dass sie ausgerechnet am Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion in Kraft trete, klagte der Sprecher des russischen Außenministeriums Alexander Lukaschewitsch am Dienstag. Abgesehen davon, dass Brüssel keine Panzer in Richtung russische Steppe in Marsch gesetzt hat, war Moskau in diesem Fall auch wesentlich besser vorbereitet und reagierte gleichentags: Premier Dmitri Medwedew gab umgehend die Anweisung zur Verlängerung des Lebensmittelembargos für den gleichen Zeitraum.

Zudem droht der Kreml mit einer Ausweitung der Gegenmaßnahmen. Vorreiter ist das Landwirtschaftsministerium. Minister Alexander Tkatschow versicherte zwar, dass es keine "radikalen" Erweiterungen geben werde, doch zugleich wurde ein ganzes Bukett von Vorschlägen publik: Der stellvertretende Leiter der Aufsichtsbehörde RosSelchosNadsor Alexej Alexejenko schlug so vor, die Einfuhr von Blumen und Schokolade zu verbieten. "Viele andere Länder sind bereit, uns Blumen zu liefern, zudem kann sich unser einheimischer Sektor dadurch langsam erholen", sagte er.

Der Blumenboykott würde vor allem die Niederlande treffen, heißt es in Russland, während bei einem Stopp der Schokoladekäufe Frankreich und Belgien in Mitleidenschaft gezogen würden – alle drei Länder haben nach den Pfändungen russischen Eigentums im Yukos-Streit ein besonders gespanntes Verhältnis zu Russland.

Fisch statt Schokolade

Noch sind die Maßnahmen allerdings keineswegs beschlossen, sie werden selbst innerhalb der Regierung noch scharf diskutiert. Gegen das geplante Schokoladeverbot sprach sich kurz nach dem Vorpreschen Alexejenkos sein Chef Tkatschow aus. Dafür wartete die Fischfangbehörde mit ihrem Vorschlag zur schwarzen Liste auf: "Wir haben vorgeschlagen, Fischkonserven darin aufzunehmen", sagte der Leiter der Behörde Ilja Schestakow. Was das Landwirtschaftsministerium am Ende entscheide, bleibe abzuwarten, fügte er hinzu.

Eine Ausweitung des Embargos würde in jedem Fall die russischen Verbraucher treffen, die bereits jetzt unter massiven Preissteigerungen gerade im Lebensmittelbereich leiden. Für die russische Führung ist die Diskussion über eine Ausweitung des Embargos allerdings auch ein Druckmittel, um dem Westen zu verdeutlichen, dass Sanktionen keine Einbahnstraße sind.

Janukowitsch beschuldigt Kiew

Die Sanktionen wurden im vergangenen Jahr nach dem von Russlands Präsident Wladimir Putin vollzogenen Annexion der Krim verhängt und im Zuge der Kämpfe im Donbass noch einmal verschärft. Der ehemalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch hat nun in seinem ersten Interview mit einem westlichen Medium die Schuld daran der neuen Führung in Kiew zugeschoben. Die "Radikalen" hätten nicht nur die Gewalt auf dem Maidan vor eineinhalb Jahren provoziert, sondern auch den Krieg im Donbass und den Verlust der Krim. "Sie haben das Land zerstört und die ganze Welt in den Konflikt mit hineingezogen: Europa, Russland und die Vereinigten Staaten", sagte Janukowitsch der BBC.

Die Kämpfe in der Ostukraine sind Anfang Juni wieder mit alter Heftigkeit aufgeflammt. Die Zuspitzung der Lage hat zur Verlängerung der Sanktionen gegen Russland beigetragen, dem die Unterstützung der Rebellen vorgeworfen wird. An der Verschärfung der Sanktionen hat die EU kein Interesse, auch weil die eigenen Schäden immens sind. Brüssel hofft auf eine Umsetzung des Minsker Abkommens. Zu diesem Zweck treffen sich am Dienstag auch die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine in Paris. (André Ballin aus Moskau, 23.6.2015)