Junge, interkulturelle Liebe in "Mein Herz tanzt".

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Wien – Schon als Bub ist Eyad den anderen um einen Gedankengang voraus. Dem Händler in Tira, einer hauptsächlich von Arabern bewohnten Stadt in Israel, rechnet er vor, wie hoch dessen Gewinnchargen sind. Ein Rätsel im Fernsehen löst er schneller als der Rest. Eyad ist das, was man gerne einen Hochbegabten nennt. Doch als Araber in Israel ist er auch Teil einer Minderheit, die im Alltag mit Repressionen und Ressentiments leben muss – und die umgekehrt ihre Vorurteile gegenüber der jüdischen Mehrheit kultiviert.

Im israelischen Kino gibt es immer wieder Versuche, die Zerrissenheit im bürgerlichen Zusammenleben zu thematisieren. Elia Suleimans Divine Intervention hat es 2002 etwa in Form einer Komödie versucht, in der der Witz die Verzweiflung tarnte. Eran Riklis' Mein Herz tanzt (Dancing Arabs) tut es als zartbitteres Coming-of-Age-Drama, das auf dem populären Roman von Sayed Kashua basiert (der auch das Drehbuch geschrieben hat). Eyad wird zum Läufer zwischen zwei Welten, die sich unbeweglich gegenüberstehen. Wer von der einen in die andere drängt, droht die Identität zu verlieren.

Dabei sieht es zunächst so aus, als würde dem Jungen seine Intelligenz zum Vorteil gereichen. Eyad erhält einen Platz in einem angesehenen Schulinternat in Jerusalem. Er ist ein zurückhaltender, dennoch sehr aufmerksamer Jugendlicher, den Tawfeek Barhom mit eindringlicher Sparsamkeit verkörpert. Sein Naturell fällt auch seiner Klassenkameradin Naomi (Danielle Kitzis) auf. Die beiden verlieben sich, doch weil sie Jüdin ist, muss es im Geheimen passieren. Vor allem die Eltern des Mädchens dürfen nichts wissen.

Romeo-und-Julia-Variation

Interessanter als diese Romeo-und-Julia-Variation ist jedoch Eyads Freundschaft mit Jonatan, einem gleichaltrigen Jungen, der an einer degenerativen Muskelerkrankung leidet. Die beiden können sich auf Augenhöhe begegnen, da sich keiner als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft fühlt. Zudem keimt in dieser Annäherung eine Möglichkeit auf, der Festschreibung durch andere mit List zu entkommen.

Die Szenen zwischen Eyad und Jonatan setzt Riklis mit fein dosiertem Pathos um, er weiß, wie weit er gehen darf, ohne dass Sentimentalität aufkommt. Differenziert geht er auch in der Darstellung der wechselseitigen Rassismen vor – sie spitzen sich zu, als der erste Irakkrieg ausbricht. Mitunter wirkt die Ausgewogenheit des Films jedoch fast zu kalkuliert. Einmal zerlegt Eyad im Unterricht die orientalistischen Klischees israelischer Autoren – etwas mehr von dieser analytischen Energie hätte geholfen. (Dominik Kamalzadeh, 19.6.2015)