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"Attraktiv gestaltete Lebensmittelverpackungen können Kinder zu ungesunden Lebensmitteln verführen. Solche Marketingeffekte lassen sich jedoch auch dazu nutzen, um den Nachwuchs für gesunde Lebensmittel zu gewinnen", sagt Mathilde Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Bonn – Kinder greifen bei Snacks besonders gerne zu, wenn die Verpackung ansprechend gestaltet ist. "Die Süßigkeitenindustrie hat sehr viel Erfahrung damit, wie sich mit Marketingeffekten der Produktabsatz bei Kindern steigern lässt", sagt Bernd Weber vom Center for Economics and Neuroscience (CENs) der Universität Bonn.

"Vergleichsweise gibt es aber nur wenige Erkenntnisse darüber, wie sich solche Marketingeffekte für gesunde Lebensmittel nutzen lassen", ergänzt der Experte. Deshalb hat nun Weber gemeinsam mit Mathilde Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) eine Studie zu diesem Thema durchgeführt.

Drei unterschiedliche Verpackungen für gleiches Produkt

Insgesamt nahmen 179 Jungen und Mädchen von Dortmunder Grundschulen an dem Forschungsprojekt teil. Dabei konnten die Acht- bis Zehnjährigen zwischen drei identischen Joghurt-Früchtemüsli-Snacks wählen, die nach den Empfehlungen des FKE hergestellt worden waren.

Der einzige Unterschied: Die Verpackungen waren unterschiedlich gestaltet. Das heißt, eine schlichte Standardverpackung, eine Verpackung mit zusätzlichen Gesundheitshinweisen und eine Verpackung, auf der Zeichentrickfiguren abgebildet waren.

Welchen Snack die Kinder präferierten, ermittelten die Forscher mit einem speziellen Messgerät, das die Handgriffstärke misst. Es zeigt an, mit welcher Kraft die Kinder mit einer Hand zudrückten, wenn sie ihre Wunschpackung mit dem Müsli haben wollten.

"Wir konnten mit diesem Hand-Dynamometer ablesen, wie viel Anstrengung die Kinder bereit waren, für das Produkt zu leisten", erläutert Erstautorin Laura Enax. Anschließend durften die Kinder auch von den Snacks in den unterschiedlichen Verpackungen kosten.

Gesundheitshinweise sind wenig beliebt

Die Ergebnisse zeigen, dass die Motivation der Kinder für das Müsli in der Verpackung mit den attraktiven Zeichentrickfiguren am größten war. Die Messungen mit dem Dynamometer ergaben, dass sie besonders viel Kraft aufwendeten, um an diesen kindgerecht offerierten Snack heranzukommen. Auch beim Geschmackstest schnitt das Müsli mit den spaßigen Zeichentrickfiguren am besten ab.

Sowohl die Standardverpackung als auch die an die Gesundheit appellierende Verpackung fiel in der Gunst der Kinder deutlich ab. Sowohl die Ergebnisse der Befragung als auch die Messung der Druckkraft trugen dazu bei, die spätere Produktwahl zu erklären. Dies weise darauf hin, dass nur die Befragung der Kinder alleine nicht ausreicht, um zu erfassen, was die Kinder lieber mögen, so die Forscher.

"Es handelt sich dabei um einen klassischen Marketingplaceboeffekt", ist Weber überzeugt. Wie bei einem Scheinmedikament (Placebo) wird bestimmten Produkten eine Wirkung zugesprochen, ohne dass dies durch den Inhalt gerechtfertigt wäre. Bei der Studie war in jedem Becher der identische Joghurt-Früchtemüsli-Snack, trotzdem glaubten die Grundschulkinder zu erkennen, dass sich der Geschmack in den verschiedenen Verpackungen voneinander unterscheidet.

Einsatzgebiet Schulbuffet

"Attraktiv gestaltete Lebensmittelverpackungen können Kinder zu ungesunden Lebensmitteln verführen. Solche Marketingeffekte lassen sich jedoch auch dazu nutzen, um den Nachwuchs für gesunde Lebensmittel zu gewinnen", meint Ernährungsexpertin Kersting. Den Forschern zufolge könnte die in der Studie herausgearbeitete Methode etwa eingesetzt werden, um zu untersuchen, wie die Attraktivität von Schulmilch oder Vollkornsandwiches gesteigert werden kann.

Die Wissenschaftler wollen in weiteren Studien untersuchen, ob insbesondere stark übergewichtige Kinder besonders für Marketingplaceboeffekte auf Verpackungen empfänglich sind. Die aktuelle Untersuchung wird demnächst im Fachjournal "Frontiers in Psychology" veröffentlicht. (red, 17.6.2015)