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Die erleichterte Kontoeinsicht wird wie geplant kommen.

Foto: Herbert Pfarrhofer

Fast fünf Milliarden Euro weniger an Einkommensteuern werden die Österreicher ab dem kommenden Jahr zahlen müssen. Doch am Tag der Präsentation der letzten Details der Steuerreform durch die Regierung stand nicht diese gewaltige Summe im Fokus. Im Zuge der Steuerreform soll auch die heilige Kuh Bankgeheimnis geschlachtet werden. Deshalb galt das große Interesse beim Ministerrat am Dienstag der Frage, ob die erleichterte Kontoeinsicht wirklich wie geplant kommen wird oder ob die Regierung doch umgefallen ist.

Nun, sie ist es nicht - zumindest nicht bis jetzt. SPÖ und ÖVP haben die Abschaffung des Bankgeheimnisses legistisch nochmals stark überarbeitet. Statt wie geplant nur ein Gesetz über die Einrichtung des Kontenregisters ins Parlament einzubringen, kommt nun ein Gesetz über Kontenregister und Kontenöffnung.

Doch im Kern bleibt alles wie geplant. Steuerbehörden können künftig im regulären Abgabeverfahren in die Konten von Bürgern und Unternehmen einsehen. Die Einschau soll möglich werden, wenn "begründete Zweifel" an den Angaben eines Steuerpflichtigen bestehen. Ein Beispiel: Jemand besitzt eine Yacht, gibt aber an, keine Einkünfte zu beziehen.

Verhältnismäßigkeitsprüfung

Neu festgelegt wurde, dass vor jeder Einschau eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen ist. Die Finanz muss also abwiegen, was stärker wiegt: das Interesse des Staates an Aufklärung eines Sachverhalts oder jenes des Bankkunden auf Wahrung seiner Privatsphäre. Damit dürften Bagatellfälle (jemand kann die Herkunft von ein paar Hundert Euro nicht erklären) ausgenommen sein.

Verankert wurde auch das Vier-Augen-Prinzip, das heißt neben dem Sachbearbeiter muss auch der Leiter des Finanzamtes der Kontoöffnung zustimmen. Neu festgeschrieben wurde auch, dass im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung im Regelfall keine Kontoeinsicht erfolgen darf. Das war ein Wunsch der Grünen und war bisher nur in den erläuternden Bemerkungen zum Gesetz klargestellt. Aber auch hier bleibt eine Ausnahme bestehen.

Kontoeinsicht ohne Richter

Hegt die Behörde "Bedenken" gegen die Richtigkeit von Angaben bei der Veranlagung, muss sie den Betroffenen schriftlich auffordern, die Sache aufzuklären. Erst wenn der Bürger Gelegenheit zu einer Stellungnahme hatte, darf ins Konto geblickt werden.

Eine richterliche Prüfung ist für die Kontoeinschau nicht vorgesehen. Ein Rechtschutzbeauftragter soll Missbrauch verhindern. Dieser muss rasch (sieben Tage) prüfen, ob die Voraussetzungen für die Kontoöffnung gegeben sind. Was passiert, wenn sie nicht gegeben sind, steht im Gesetz nicht eindeutig - laut Finanzministerium ist die Einschau dann verboten.

Flinker Beauftragter

Wie geplant wird ab 2016 das Kontenregister eingerichtet. Aus diesem lässt sich nur ablesen, wer über wie viele Sparbücher und Depots verfügt. Entgegen den ersten Ankündigungen der Regierung werden Konten von Unternehmen und Privatpersonen registriert.

Allerdings: In der neuen Regierungsvorlage wird festgelegt, dass eine Abfrage im Register außerhalb einer Betriebsprüfung nur möglich sein soll, wenn der Betroffene vorher angehört wurde.

ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka ließ durchblicken, dass seine Fraktion bereit sei, den Grünen entgegenzukommen. Der Regierungsbeschluss ist ein "Nullum", sagte Lopatka dem STANDARD, weil man den Kompromiss mit der Ökopartei suchen müsse.

Zweidrittelmehrheit für Bankenpaket

Die Regierung braucht eine Zweidrittelmehrheit für das Bankenpaket. Die Grünen wollen laut Parteichefin Eva Glawischnig mitziehen, fordern aber die richterliche Genehmigung jeder Kontenöffnung. Auch ein Einspruchsrecht der Betroffenen ohne aufschiebende Wirkung soll es geben. "Uns geht es um ein rasches Verfahren, das dem Rechtsschutzgedanken Genüge tut", so Glawischnig zum STANDARD. Verhandelt wird mit SPÖ und ÖVP ab heute, Mittwoch.

Insgesamt 17 Gesetzesvorlagen hat die Regierung beschlossen:

  • Auf Schiene gebracht wurde die erhöhte Steuergutschrift (Negativsteuer) für Kleinverdiener. Bisher konnten sich Arbeitnehmer, die so wenig verdienten, dass sie keine Lohnsteuer zahlen mussten, 110 Euro über die Arbeitnehmerveranlagung zurückholen. Künftig wird die Negativsteuer auf 400 Euro angehoben. Ein Teil dieser Gutschrift soll bereits 2016 ausbezahlt werden. Erstmals kriegen auch Bezieher von Kleinstpensionen 110 Euro Negativsteuer. Ausgenommen sind nur Rentner, die eine Ausgleichszulage erhalten um die Mindestpension (871 Euro pro Monat) beziehen zu können.
  • Keine Änderung gibt es bei der Registrierkassenpflicht. Die Verpflichtung zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems besteht ab einem Jahresumsatz von 15.000 Euro je Betrieb. Die Wirtschaftskammer wollte die Pflicht ab 30.000 Euro.
  • Wollen Steuerpflichtige ihre Spenden von der Steuer abziehen, müssen sie künftig ihren Namen beim Spenden bekanntgeben. Ihre Daten müssen von NGOs an die Finanz gemeldet werden. Automatisch gemeldet werden künftig auch Kirchenbeiträge.
  • Nicht verändert wurden auch weitere Maßnahmen gegen Steuerbetrug. So dürfen künftig in Finanzstrafverfahren, wenn mehr als 33.000 Euro hinterzogen wurde, Fingerabdrücke von Verdächtigen genommen werden. Allerdings: Richterliche Anordnung ist hier Pflicht.

Verteilung

Der österreichische Sozialstaat teilt im Verhältnis zu anderen Ländern relativ stark von oben nach unten um. Die Steuerreform dämpft diesen Effekt etwas, klammert man die Gegenfinanzierung einmal aus, wie eine Wifo-Analyse zeigt.

Den zehn Prozent der österreichischen Haushalte mit dem höchsten Einkommen bleiben im nächsten Jahr so über 1700 Euro mehr im Börsl, hat das Wifo berechnet. Die obersten 40 Prozent profitieren im Schnitt mit mindestens 1000 Euro.

Am anderen Ende sieht die Sache anders aus: Die zehn Prozent der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen profitieren im Schnitt mit knapp 100 Euro, nur etwa jeder dritte Haushalt in dieser Gruppe zieht einen Nutzen aus der Reform.

Wer unter 11.000 Euro im Jahr verdient, zahlt keine Lohnsteuer. Diese Gruppe hat zwar etwas von der Anhebung der Negativsteuer von 110 Euro auf 220 Euro für das nächste Jahr. Bei der Negativsteuer kann man sich einen Anteil der bezahlten Sozialabgaben zurückholen. Unter dem Strich bleibt aber nicht viel übrig. Geringfügig Beschäftigte, die nicht sozialversichert sind, gehen leer aus.

92 Prozent der Erwerbstätigen haben aber etwas von der Steuerreform, Männer und Ältere mehr als Frauen und Jüngere, weil sie tendenziell besser verdienen. Haushalte mit Kindern profitieren etwa gleich stark wie jene ohne Kinder. Im Schnitt steigen die Einkommen um 3,1 Prozent.

Der Abstand zwischen den oberen Einkommen und den unteren erhöht sich laut Wifo-Analyse leicht. Die Schere zwischen Arm und Reich ist hierzulande laut OECD in den vergangenen 15 Jahren im Gegensatz zu vielen anderen Ländern nicht aufgegangen.

Jahresausgleich

Eine Neuerung mit großem Potenzial gibt es in letzter Minute noch. Die Regierung will die Arbeitnehmerveranlagung künftig in einigen Fällen automatisieren. Das heißt: Der Steuerpflichtige muss bei der Finanz nicht den Jahresausgleich beantragen, sondern bekommt automatisch einen Bescheid von der Finanz über seine Gutschrift. Akzeptiert er diesen Bescheid, zahlt die Finanz das Geld sofort aus.

Gelten wird dieses Verfahren zunächst für Spenden an begünstigte Empfänger. Beiträge an diese Einrichtungen sind steuerlich absetzbar - bis zu einer Höchstgrenze von zehn Prozent der Bemessungsgrundlage. Begünstigte Einrichtungen (dazu zählen etwa Caritas, Rotes Kreuz) müssen künftig die Daten ihrer Spender an die Finanz melden - diese Summen werden beim Steuerausgleich automatisch berücksichtigt.

Auch die Negativsteuer beziehungsweise Steuergutschrift für Arbeitnehmer und Pensionisten wird künftig automatisch und ohne Antrag ausbezahlt.

SPÖ und ÖVP erwarten sich davon, dass mehr Menschen profitieren, weil viele Niedrigverdiener bisher keine Arbeitnehmerveranlagung beantragt haben und deshalb nie in den Genuss der Gutschrift gekommen sind. Laut Finanzministerium können künftig auch spezielle Fälle, die über den Lohnzettel ersichtlich sind, automatisch berücksichtigt werden.

Beispiel: Ein Hochverdiener geht nach einem halben Jahr in Bildungskarenz. Seinen Steuerausgleich für dieses Jahr muss er nicht mehr wie bisher beantragen.

Sonderfälle, etwa ein Alleinverdienerabsetzbetrag, müssen aber weiterhin bei der Finanz beantragt werden.

Grunderwerbsteuer noch adaptiert

Bei der Grunderwerbsteuer wurde gleich in mehrere Richtungen nachgebessert. Künftig wird bei unentgeltlichen Übertragungen der Verkehrswert und nicht mehr der veraltete Einheitswert als Basis für die Steuer herangezogen.

Um keine Bewertungsorgie auszulösen, gibt es nun Klarstellungen: So kann beispielsweise ein Immobilienpreisspiegel (wie jener der Wirtschaftskammer) als Grundlage verwendet werden. Von diesen Richtwerten sind Abschläge von bis zu 30 Prozent möglich, um den lokalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Und: Wer der Ansicht ist, dass der tatsächliche Wert der Immobilie noch niedriger anzusetzen ist, und einen Nachweis (beispielsweise in Form eines Sachverständigengutachtens) dafür erbringt, kann seine Position weiter verbessern. Details wird eine Verordnung regeln.

Enttäuscht werden Ehepartner, für die im Begutachtungsentwurf eine Begünstigung vorgesehen war. Durch eine Art Familiensplitting sollte die Belastung eingegrenzt werden. Ein Beispiel: Wird eine Wohnung im Wert von 480.000 Euro vererbt, macht die Grunderwerbsteuer 7050 Euro aus. Hätten zwei Ehepartner die Immobilie übertragen, wäre der Wert auf 240.000 Euro gesplittet worden. Die Steuer wäre wegen des mit der Höhe des Wohnungswerts ansteigenden Tarifs (von 0,5 bis 3,5 Prozent) auf 2400 Euro gesunken. Daraus wird nun nichts. Das "Splitting" wurde gestrichen.

Im Gegenzug wurde auf Druck der Tourismuswirtschaft eine Verbesserung bei Betriebsübergaben im Familienkreis eingebaut. Vereinfacht gesagt wird die Verschuldung des Unternehmens auf die Grunderwerbsteuer angerechnet. (András Szigetvari, Andreas Sator, Andreas Schnauder, 16.6.2015)