Punks in der Josefstadt: ein Skandal, dass es nicht mehr Lokale wie dieses gibt!

Foto: Gerhard Wasserbauer

Knackiger Salat, grüner Spargel, Blunze - alles tadellos.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Keine Ahnung, ob Silent Chef Patrick Müller und Kollegen tatsächlich Punks sind oder nur das Lokal so genannt haben (was der These tendenziell widerspricht). Aus den Lautsprechern dudelt es jedenfalls ziemlich mainstreamig, Müller selbst trägt seine Haare in Dreadlocks, ein bissl rasiert ist er aber auch. Völlig wurscht, es macht Freude, hier zu sein.

Das winzige Lokal am äußeren, vergleichsweise toten Ende der Florianigasse war einmal eine Art Vinothek, die der Vorpächter mittels felsiger Natursteinfliesen aus dem Baumarkt auf urig inszeniert hat. Sieht hochgradig arg aus, beließen die neuen Betreiber dennoch unverändert. Überhaupt wurde so gut wie nichts adaptiert, bevor die Hütte aufmachte – zum Teil kommen sogar die Weine noch aus Altbeständen vom Vorpächter zum Ausschank. Also doch Punks, oder?

Zehn Speisen, jede um 4,50 Euro

Was früher eine kleine Schank war, ist jetzt Küche plus Schank. Zwei mobile Induktionsplatten, ein Schneidbrettl, ein haushaltsüblicher Dunstabzug aus dem Bauhaus mit ziemlich "russischem" Abzugsrohr zur Straße: Viel mehr hat nicht Platz. Wobei, doch, eine iPod-Dockingstation für die Mucke an einem Ende der Budel und ein massiver Bund frischer Kräuter am anderen. Von da heraus werden drei wackelige Tischerln und ein großer, alter Refektoriumstisch bekocht, an dem die Gäste zusammenrücken. Vor der Tür gibt es noch ein paar Beistelltische, da wird auch gegessen. Patrick Müller hat schon zu tun, die Tische drehen sich auch an einem faden Dienstag nicht nur einmal.

Also entweder zeitig oder eher spät kommen: Es lohnt sich. Die Speisekarte ist mit Filzstift auf Teller geschrieben, zehn Speisen insgesamt, jede um 4,50 Euro. Viel Gemüse, etwas Käse, ein paar Innereien – wer sich etwas Gutes tun will, bestellt alle zehn und teilt. Geht sich gut aus, die winzigen Tische sind dann halt ziemlich vollgestellt.

Und die Sachen kommen richtig zügig daher, eine Qualität, die echt Freude macht. Ein extrem knackiger Salat mit allerhand Kräutern und Ampfer zum Beispiel, oder eine Combo aus geschmorter roter und gegrillter Chioggia-Rübe, beschwingt angemacht, leicht, kühl, pur. Grünen Spargel aus der Pfanne, dann zwei Radln Blunze, außen dick knusprig, innen cremig würzig, mit nichts als ein paar rustikalen Apfelwürfeln und einem Stück Senfgurke. Wahnsinnig gut, eine zwingende, genial schlichte Kombination der Aromen, Konsistenzen, Zustände. Schön.

Hoden zum Frühstück?

Saftige Räucherforelle wird mit Dosensardelle und einer Creme aus Dorschleber kombiniert, marinierte Zwiebeln drauf, mutig, passt. Spätestens jetzt braucht man mehr Brot, zum Aufwischen der Sauce. Kostet extra. Jetzt ein kleiner Haufen Bergkäse, über ein paar Schlieren klassische Vinaigrette gerieben, mit Kräutern und Gänseblümchen drauf, macht auch Freude. Mangold wird um eine kühl knofelige Polentacreme gewickelt, Bohnen kommen als kleiner, komplex gewürzter Eintopf zu Tisch, alles wie gehabt, alles tadellos. Dann die sautierten Lammhoden in feinen, butterzarten Streifen auf gebratenem Schwarzbrot, total zugänglich, so etwas will man sich zum Frühstück wünschen. Schließlich gesottene Lammzunge, lauwarm, mit geliertem Fond, Kapern und Zitronenzesten, auch verdammt gut. Womit die zehn Gänge schon wieder um sind: Lange nicht mehr so gut gegessen. Wer will, kann noch Erdbeeren mit Schlag draufsetzen, dazu kommt bei Bedarf eine Bialetti mit Kaffee zu Tisch. Dann sollte man wieder gehen, es spitzen nämlich schon die Nächsten auf einen Tisch. Kann es irgendwann bitte mehr Lokale wie diese geben? (Severin Corti, Rondo, 19.6.2015)