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Die ÖBB hat laut OGH das Recht, das Alkoholverbot am Arbeitsplatz zu kontrollieren. Aber sie darf dabei nicht alle Arbeitnehmer einem Pauschalverdacht aussetzen.

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien - Die ÖBB wollte ein Zeichen setzen und verordnete in einem Rundschreiben an alle Mitarbeiter vom Juli 2013 den Standard von "0,0 Promille" im Dienst. Dass auch Eisenbahner mitunter "einen über den Durst trinken", zeigte sich schon kurz darauf, als ein Zugführer im Dienst erheblich alkoholisiert angetroffen wurde.

Im April 2014 wurden dann erstmals an zwei Betriebsstätten unangekündigte Alkoholkontrollen mittels Alkomat durchgeführt. Die Kontrollen betrafen nicht nur Zugführer, sondern Mitarbeiter aus allen Bereichen. Bei keinem der untersuchten Mitarbeiter wurden Spuren von Alkohol in der Atemluft festgestellt.

Der am Vortag von der Schwerpunktaktion "Planquadrat" verständigte Vorsitzende des Zentralbetriebsrats hatte sich gegen die Kontrollen ausgesprochen. In der Folge beantragte die Belegschaftsvertretung bei Gericht eine einstweilige Verfügung, die dem Dienstgeber flächendeckende oder willkürliche - d. h. ohne konkreten Verdacht - Alkoholkontrollen untersagt.

Im Unterschied zu den beiden unteren Instanzen gab der Oberste Gerichtshof dem Antrag des Zentralbetriebsrats auf der Grundlage des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG statt. Danach müssen "die Menschenwürde berührende" Kontrollmaßnahmen durch eine Betriebsvereinbarung legitimiert sein ( OGH 20. 3. 2015, 9 ObA 23/15w).

Frage der Menschenwürde

Zum Begriff der "Menschenwürde" verwies das Höchstgericht auf seine Entscheidung zum sog. "Fingerprint-Scanner" (9 ObA 109/06d). In diesem Fall hatte ein Krankenhaus an den Eingängen Terminals mit Fingerscannern installiert, mit denen die Arbeitszeiten der Mitarbeiter erfasst werden sollten. Der OGH führte damals aus, dass es dem Gesetzgeber vor allem um den Schutz der Persönlichkeit der Arbeitnehmer gehe. Schutzobjekt seien neben der Individualität insbesondere auch die körperliche Integrität und Privatsphäre der Arbeitnehmer. Die Erfassung und Verarbeitung biometrischer Daten hielt der OGH angesichts des "vergleichsweise trivialen Ziels" (Erfassen der Kommens- und Gehenszeiten) ohne Zustimmung des Betriebsrats für unzulässig.

Auch der Einsatz von Alkomaten stellt nach Ansicht des Höchstgerichts einen Eingriff in die körperliche Integrität der Arbeitnehmer dar. Derartige Alkoholkontrollen erfassten nämlich die "biophysische Beschaffenheit" einer Person.

Im Rahmen der daraufhin vorgenommenen Interessenabwägung billigte der OGH der ÖBB ein legitimes Interesse an der Kontrolle der Einhaltung des allgemeinen Alkoholverbots zu. Die gewählte Kontrollmethode sei jedoch ein unverhältnismäßiger Eingriff in die körperliche Integrität und Privatsphäre der Arbeitnehmer.

Der Einsatz der Alkomaten erfolge nämlich ohne konkrete Verdachtsmomente und ohne Einwilligung der Arbeitnehmer. Nicht berücksichtigt werde ferner, dass ein (geringer) Alkoholgehalt der Atemluft auch auf den Verzehr von mit Alkohol zubereiteten Lebensmitteln zurückzuführen sein könnte. Ebenso wenig werde auf das Gefahrenpotenzial im Falle einer Alkoholisierung der betroffenen Arbeitnehmer Bedacht genommen (zB bei Lokführern). Durch die Alkoholkontrollen bei Arbeitsbeginn werde damit zugleich auch das Freizeitverhalten der Arbeitnehmer überprüft. Schließlich würde selbst bei vorschriftskonformen Verhalten der betroffenen Arbeitnehmer der "Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit" im Raum stehen.

Nur mit Betriebsvereinbarung

Die Entscheidung des OGH überzeugt im Ergebnis und im Wesentlichen auch in der Begründung. Der Erfassung medizinischer oder biometrischer Daten von Arbeitnehmern darf nur unter bestimmten, engen Voraussetzungen erfolgen. Diese Voraussetzungen können in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Die vorgesehenen Maßnahmen dürfen freilich die Menschenwürde nicht verletzen, sonst wäre die Betriebsvereinbarung unwirksam.

Zumindest missverständlich ist der Verweis des OGH auf die mangelnde Zustimmung der Mitarbeiter zur Alkoholkontrolle. Die Notwendigkeit einer Betriebsvereinbarung kann nicht von der Einwilligung oder Nichteinwilligung der einzelnen Arbeitnehmer abhängen. Andernfalls könnte der Arbeitgeber die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats durch eine entsprechende Klausel im Dienstvertrag umgehen. (Andreas Tinhofer, 14.6.2015)