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Macht auch mit 52 noch Ausfallschritte wie in der Ballettschule: Tote Hosen-Sänger Campino.

Foto: APA/Herbert P. Oczeret

Die Punkrockband Betontod war für die kleine Nebenbühne eigentlich zu groß.

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In Extremo gaben ein unverwechselbares Hafenkonzert.

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Austropop-Legende Wolfgang Ambros lieferte einen gesanglich soliden und textsicheren Auftritt ab.

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Nickelsdorf – Am Samstag Nachmittag zogen dichte Staubwolken über das Nova Rock-Gelände im burgenländischen Nickelsdorf. Viele schützten Nase und Mund mit Tüchern, sogar Gasmasken waren mitunter im Einsatz. Ob der brütenden Hitze kam das eher sanfte Programm von Rea Garvey gerade recht: Gefälliger Nachmittags-Radiopop, nicht unbedingt Nova, auch nicht Rock, aber bei über 40 Grad vielleicht die bessere Beschallung.

Rasanter ging es da schon bei der deutschen Kult-Punkband Betontod zur Sache. Der fünfköpfigen Rasselbande um Sänger Oliver Meister wurde die kleine Red-Bull Nebenbühne wegen des großen Fanandrangs sichtlich zu klein – man hätte sicher auch eine der großen Bühnen gefüllt. Hymnisch nahmen die Punkrocker mit "Wir müssen aufhören weniger zu trinken" das Hosen-Lied "Kein Alkohol ist auch keine Lösung" vorweg; und das war gut, denn die hatten es diesmal nicht im Programm.

Feuerwalzen, Dudelsack und Harfe

Die Mittelalter-Band In Extremo überführte den Zuschauer in eine Hafenkulisse. Meterhohe Feuerwalzen schraubten sich zum typischen Klang von Dudelsack, Harfe, Glockenspiel, Mandoline und Mittelalterpfeifen in die Höhe. Im Matrosenleibchen gaben Michael "Das letzte Einhorn" Rhein und seine Mannen ein schottisch-irisches Hafenkonzert: "Komm schließ die Augen, glaube mir, wir fliegen übers Meer", denn "nur wer frei ist, ist ein König". Immer wieder erfrischend.

Bei Papa Roach im Anschluss war die Stimmung am kochen. Das auch dank überraschender Einlagen des Sängers Jacoby Shaddix, der etwa bei "Broken home" eingangs Eminems "Lose yourself" einwandfrei herunterratschte. Zu "Kick in the teeth" kam dann die – für manche sicherlich erlösende - Gewitterwarnung. Während Jacoby Shaddix der Gesang beim Klassiker "Last resort" vom Publikum abgenommen wurde, begann abseits der Bühnen die verzweifelte Suche nach Regenponchos. Ein heftiger Wolkenbruch sorgte schließlich für Abkühlung, bis zum Headliner des Abends – den Toten Hosen – war der Regenguss rechtzeitig wieder vorbei.

"Nur zu Besuch" für verstorbenen Freund

Die Hosen vertrauten auf eine spartanische Bühnenausstattung, lediglich zwei schwarze "Bis zum bitteren Ende"-Fahnen (Das Motto der Band) baumelten links und rechts von der Bühnendecke. Auf zusätzlichen Videowalls im Hintergrund zeigte man Sänger Campino und Co teilweise aus vier Kameraperspektiven gleichzeitig. Das Konzert war nämlich auch eine große Videoshow – mehrmals hielt Campino die Kamera ins Publikum um es auf den großen Leinwänden abzubilden. "Man würde solche Momente doch immer so gerne festhalten", sagte der 52-Jährige.

Als Opener gab man "Bonnie und Clyde", wo schnell klar wurde, dass Campino – der scheinbar aufgehört hat, älter zu werden – noch immer Ausfallschritte wie in der Ballettschule machen kann. Bei "Pushed again" zündete man im Publikum Bengalen wie im Fanblock. Die Ballade "Nur zu Besuch" widmeten die Hosen einem kürzlich verstorbenen Biker-Freund. Bei "Paradies" testete man wieder einmal die Textsicherheit des Publikums und holte Marlene auf die Bühne. Die tat ihre Sache gut, Campino bedankte sich mit Küsschen.

Rede gegen die FPÖ und Protestlied

Nach einem Cover von "The Passenger" (Iggy Pop) gab es eine weitere Song-Widmung: "Steh auf, wenn du am Boden bist" spielte man für einen Ex-Schlagzeuger der Band, der gegen Krebs kämpft. Nach einer Stunde hatte Campino auch politisch etwas loszuwerden: Man wolle hier niemanden belehren, sagte er, aber "das, was in Deutschland Pegida und die AFD sind, sind in Österreich Strache und die FPÖ". Mit der Aufforderung "kämpft dafür, dass Europa seine Grenzen öffnet" spielte man das Boatpeople-Protestlied "Europa", dicht gefolgt von "Wünsch dir was". Bei "Alles aus Liebe" bekam Campino dann noch ein Liverpool-T-Shirt geschenkt, als Zugabe gab man standesgemäß "You’ll never walk alone".

Die Late-Night-Zugabe Wolfgang Ambros wurde nach einer "Macarena"-Aufwärmrunde vom Nova Rock-Veranstalter höchstpersönlich angekündigt. Er mache so etwas ja normalerweise nicht, sagte Ewald Tatar, aber beim "österreichischen Bruce Springsteen" sei ihm das ein Anliegen. Der brauchte zwar etwas, um in die Gänge zu kommen, lieferte dann aber – tatkräftig unterstützt durch seine Band – ein gesanglich solides und textsicheres Best-of-Konzert ab. Bei "Schaffnerlos" griff Ambros sogar zur Mundharmonika. In Memoriam Georg Danzer spielte man "Lass mi amoi no d’Sunn aufgeh sehn". Die Alkoholismus-Hymne "Wem heut ned schlecht is" montierte Ambros auf Wunsch des Veranstalters ins Programm. Mit "A Mensch mecht i bleibn", "Da Hofa", "Zentralfriedhof" und "Schifoan" klang der zweite Nova Rock-Tag im feucht-fröhlichen Austropop-Taumel aus. (Stefan Weiss, 14.6.2015)