Kadett Biegler (Peter Fasching) in "Der Fall Svejk".

Foto: Alexi Pelekanos

Wien - Der brave Soldat Svejk, k. u. k. Infanterist und vor lebensgefährlichen Blödheiten nicht gefeit, wird in der Uniform des russischen Feindes aufgegriffen und des Hochverrats bezichtigt. General Fink (Martin Baum) verlangt die sofortige Hinrichtung. Kadett Biegler (Peter Fasching) zögert. Schließlich räumt Frau Oberleutnant Lukásová (Ivana Uhlírová) ein: "Wird der Mensch in der Regel nicht erst nach einer längeren Prozedur gehängt, die man Rechtsweg nennt?" Diese, von tschechischen und österreichischen Militärs diskutierte Fragestellung bringt in der Folge nationalistische Ressentiments zum Vorschein, wie sie in einem Vielvölkerstaat eben verbreitet sind. Svejk ist Tscheche und den Österreichern schon aufgrund seiner Sprache fremd.

Regisseur Dusan David Parízek hat sich in seiner Bühnenfassung Der Fall Svejk auf einen Schauplatz in Jaroslav Haseks unvollendet gebliebenem Roman konzentriert: auf die Zeit von Svejks Arrest im Militärlager Bruck an der Leitha. Doch in der in Koproduktion zwischen den Wiener Festwochen, dem Prager Studio Hrdinu und dem Theater Bremen entstandenen Inszenierung taucht der Titelheld gar nie auf.

Bruck an der Leitha ist Brüssel

Im Zentrum steht das um ihn herum wirksame Geflecht an Menschen, die zwecks Krieg zusammenarbeiten sollen: neu zusammengeführte Bürger, nunmehr Soldaten, Rechnungsfeldwebel, Einjährig-Freiwillige und auch ein in eine Liebesbriefaffäre verwickelter ungarischer Geschäftsmann (toll: Gábor Biedermann).

Ein Blätterwerk der Bürokratie überwuchert den Schnürboden der Halle G im Museumsquartier (Gesetzestexte, Dienstregeln). Ein langer Tisch und Overheadprojektoren markieren darunter das Militärlager in Bruck an der Leitha, welches ein Vorfahre des heutigen Brüssel ist oder jedes anderen multilingualen, multiethnischen Schauplatzes im Europa der Gegenwart.

Immer wieder schafft Parízek Stimmungen, in denen unschuldige Sprachspiele plötzlich in deftigen Nationalchauvinismus kippen. Auch aus dem anfänglich politisch korrekten Biegler ("Tschuldigung!") bricht irgendwann die gut versteckte Abscheu allem Fremden gegenüber heraus. Oder General Fink: "Die Tschechen, diese Tschuschen!".

Der Schauplatz ist zeitlos; die Schauspieler lassen keinerlei Erster-Weltkrieg-Lokalkolorit aufkommen - darunter fabelhaft stoische Mimen wie aus Kaurismäki-Filmen (Jirí Cerný, Vladimír Javorský). Vor allem die Sprachdifferenzen oder Debatten über korrekte Aussprache (" leben", nicht "läbben"!) geben dem Abend einen heiter-makaberen Grundton. "Tscheche!" - das könnte auch einfach nur ein kräftiger Nieser sein.

Sparsame Konstrukte

Parízek, 1971 in Brünn geboren und seit 2002 auch auf deutschen Bühnen beschäftigt (grandios am Akademietheater: Die lächerliche Finsternis), hat den Dreh heraus. Ihm gelingt es, in Texten tief zu schürfen, ohne dabei bedeutungsschwer zu werden. Seine Abende sind sparsame Konstrukte, dafür wirkt das Wenige dann enorm (etwa das Spiel mit den Uniformen: Alle sind uniformiert, also gleich, aber sie variieren dennoch entschlossen bis hin zum nackten Oberkörper). Gut auch: Die Männerdominanz im Kriegsstück durchbricht Parízek, indem er eine Frau Oberstleutnant erfindet. Ja, bitte! (Margarete Affenzeller, 13.6.2015)