Aus heutiger Sicht nimmt sich Bertolt Brechts Lehrstück Die Maßnahme wie ein scharfkantiger Gesteinsbrocken vom Mars aus. Brecht erörtert in dem Text das Thema von Mittel und Zweck. Darf man Menschen töten, wenn man dadurch die Sache des Fortschritts befördert sieht? Brecht, der Linksradikale ohne formelle Parteizugehörigkeit, gab 1930 auf die schwerwiegende Frage keine abschließende Antwort.

Vertont wurde die Verhandlung vor dem "Kontrollchor" von dem gebürtigen Wiener Hanns Eisler. Hörbar wird eine komplexe Partitur voller Verweise auf J. S. Bach und die Kirchentonarten. Als Amüsierhappen für das bürgerliche Theater bildet Die Maßnahme bis heute einen Stein des Anstoßes. Brecht selbst verbot nach 1945 alle Aufführungen, da er die missbräuchliche Verwendung durch Parteigänger des Kalten Krieges befürchtete. Gedacht war das Lehrstück freilich als Mittel zur Selbstverständigung.

Erst nachdem die Schauspieler Für und Wider des Terrors ausgiebig erwogen hätten, sollte auch das gewöhnliche Publikum einbezogen werden. Gefragt wird nach der Herstellung von "Haltungen": bis heute ein verzwickter Fall. In der Reformierten Stadtkirche in der Dorotheergasse musizieren das Ensemble M12 Wien und der Albert Schweitzer Chor. Zwei Podiumsdiskussionen flankieren das Passionsspiel. Gesamtleitung: Matthias Krampe. (poh, 11.6.2015)