Ein Tänzchen mit Raptoren: Tierbändiger Owen (Chris Pratt) aus "Jurassic World" versteht, dass man auch ausgestorbenen Tieren mit Respekt gegenübertreten muss. Dann wird man nämlich weniger schnell getötet.

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Wien - Mitten im Dschungel, versteckt hinter einem großen Tor, finden sich Spuren zur Vergangenheit der Insel. Ein Jeep, Werkzeug, Batterien, ein Banner mit einem alten Logo mit Dinosaurier darauf. Die Brüder Zach und Gray unterbrechen kurz ihre Flucht vor einer Bestie, basteln sich eine Fackel und dringen tiefer in die Höhle vor. Auf deren Wänden entdecken sie noch andere Zeichnungen von Reptilien - die Szene soll ein wenig den Anschein erwecken, als seien sie auf urzeitliche Malereien gestoßen.

Doch die Urzeit von Jurassic World reicht natürlich nur bis ins Jahr 1993 zurück, als Steven Spielberg mit Jurassic Park den Startschuss für die berühmteste Dino-Renaissance der Filmgeschichte gab. In der Neuauflage, die das Franchise nun für die nächste Generation aufbereitet, wurde einiges verändert (nicht zuletzt ist Spielberg nur ausführender Produzent), aber die Essenz bleibt gewahrt. Vor allem an die Vorgeschichte wird ständig liebevoll, ironisch, manchmal auch zwänglerisch erinnert - im digitalen Zeitalter kommt die Nostalgie mit immer schnelleren Flügeln daher. Die Dinos der 1990er gleichen den Computern von damals: Sie sahen noch nicht richtig aus.

Zeitgenössisches Spektakelkino

In Jurassic World muss man natürlich gleich erkennen können, was in Sachen Spezialeffekt und digitaler Animation seitdem alles optimiert wurde. Mehr als andere Beispiele ist die Filmreihe ein Gradmesser für die Möglichkeiten des zeitgenössischen Spektakelkinos. Der Thrill, einem Dinosaurier auf der Leinwand zu begegnen - und zwar als Attacke auf die Sinne -, das ist schon das ganze Wesen des Films.

Der Themenpark gibt dafür in der Erzählung das perfekte Ambiente vor. Die Zuschauer im Kinosaal sitzen mit den Protagonisten fast im gleichen Boot. Imax und 3-D ermöglichen mittlerweile verstärktes körperliches Involviertsein. Spitze Schnäbel, scharfe Zähne, tiefe Schlünde - gefressen werden wir aber nur beinahe, wie die beiden Teenager, die mit einer mobilen Glaskugel durch das Gelände kurven.

Jurassic World ist der erste Teil, der nach dem Tod des Vorlagen-Erfinders Michael Crichton mit neuem Autorenteam verwirklicht wurde. Crichtons von Anfang an ein wenig paradoxe Kritik an technologischer Vermessenheit, dem Eingriff in die Natur, wurde von Regisseur Colin Trevorrow beibehalten, sogar noch etwas verschärft. Denn der Themenpark leidet wie Hollywood selbst unter dem Problem, immer größere Sensationen aufbieten zu müssen. Um diese Formel zu erfüllen, hat man einen genmanipulierten Saurier aus der Retorte geholt. Er heißt Indominus Rex und ist so etwas wie der weiße Hai unter den Echsen.

Größer, böser, hungriger

Es ist eine Regel von Katastrophenfilmen, dass sie zuerst zeigen, was kaputt gehen könnte, um es dann auch wirklich kaputtgehen zu lassen. Für diese Zeitspanne holt Jurassic World ein wenig zu lange aus, manch eine Nebenfigur gerät zu geschwätzig; mehr Vergnügen bereitet es, Chris Pratt als überzogen viril gezeichneten Tierbändiger dabei zuzusehen, wie er ein Rudel Raptoren auf sein Kommando abstimmt. Oder Bryce Dallas Howard zu folgen, einer modernen Fay Wray, die mit Chris-Lohner-Frisur und Stilettos zur Amazone wird.

Überlegen sind ihnen nur die Saurier selbst, die das unterhaltsamste Chaos produzieren. Trevorrow und seine Animationsabteilung malen sich die Verschlingungsszenarien mit Lust an der Überspitzung aus - wer da nicht aller verschluckt wird! Jurassic World verdaut dabei seine Botschaft vom Respekt für die Tierwelt gleich selbst: Erst erschafft er Kreaturen, lässt sie wüten, dann räumt er mit ein paar Altstars auf. Godzilla und Alfred Hitchcocks Vögel winken aus der Ferne. (Dominik Kamalzadeh, 11.6.2015)