Die rot-blaue Koalition im Burgenland scheint weitgehend akzeptiert zu sein. Die Kronen Zeitung hat, wie so oft, die Linie vorgegeben: Was regt ihr euch auf? Ist doch ganz normal. Es ändert sich eh nix. Und tatsächlich würde man auch ein Elektronenmikroskop brauchen, um angesichts zweier sicherheitsfixierter Provinzgrößen wie Hans Niessl und Johann Tschürtz herauszufinden, wer von beiden der SPÖler und wer der FPÖler ist. Was also ist eigentlich passiert?

Was die burgenländischen Sozialdemokraten mit ihrem vielzitierten Tabubruch aufgegeben haben, ist nicht nur der Respekt vor einem Parteitagsbeschluss. Sie haben einen ihrer Grundwerte preisgegeben. Dieser heißt Internationalismus. Die historische Linke hat - wie übrigens auch das Christentum - stets klargemacht, dass sie grundsätzlich für alle Menschen da ist. Die Nationalisten dagegen sagten und sagen von jeher: nur für unsere Leute. Wenn dieser Unterschied verschwindet, kommt alles ins Rutschen. Nationale Sozialisten sind keine Sozialisten und auch keine Sozialdemokraten. Und "Deutsche Christen" (eine Nazi-Erfindung) sind keine Christen.

Nun kann man natürlich mit Recht entgegnen, dass sowohl die Sozialdemokraten als auch die christlichen Kirchen ihrem universalen Anspruch oft und oft untreu geworden sind. Aber einem Anspruch nicht genügen ist etwas anderes, als ihn aufzugeben. Mit einer Partei regieren, die aus Prinzip keine Fremden hereinlassen mag? Und diejenigen, die schon da sind, möglichst wieder loswerden? Da stoßen zwei Kulturen aufeinander, die bis vor kurzem noch unvereinbar waren.

Aber gilt das nicht auch für die Konservativen? Wieso darf man mit der ÖVP koalieren, aber nicht mit der FPÖ? Dieses Argument wird in den letzten Tagen oft von Leuten vorgebracht (wie kürzlich von B. Heinzlmaier im STANDARD), die weit mehr Gemeinsamkeiten zwischen Sozialdemokraten und Freiheitlichen entdecken als zwischen Roten und Schwarzen. Haben nicht sowohl SPÖ als auch FPÖ das Wohl des "kleinen Mannes" im Auge? Ist der eigentliche Gegner nicht eher die Partei der Reichen? Das war eine Argumentation, die auch in den Dreißigerjahren viele enttäuschte SP-Wähler in die Arme der Nazis getrieben hat. Wiederholt sich Geschichte?

Noch ist Rot-Blau eine lokale Erscheinung. Im Bund, hören wir, bleiben die Sozialdemokraten das verlässliche Bollwerk gegen H.-C. Strache und die Seinen. Aber das Bollwerk hat Löcher. Und wenn der ehemalige Bundesgeschäftsführer beim "gelungenen Experiment" SPÖ-FPÖ-Koalition mitmacht, klingen die Bollwerk-Erklärungen schal. Ein Stück sozialdemokratische Identität, scheint es, ist zumindest vorläufig dahin. Und auch der stolze Begriff "die Sozialdemokratie" erscheint lächerlich, wenn damit de facto neun provinzielle Wahlvereine gemeint sind.

Am 1. Mai wird auf dem Wiener Rathausplatz traditionell die Internationale gespielt. "Wacht auf, Verdammte dieser Erde" (das sind heute die Flüchtlinge), so beginnt die ehrwürdige Hymne der Arbeiterbewegung, und sie endet mit "Die Internationale erkämpft das Menschenrecht". Kleiner Tipp: Vielleicht könnte man in Zukunft besser das schöne Lied Hoamatland erklingen lassen. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 10.6.2015)