Heiß auf Eis: Philipp Blihall, Stefan Trautsch und Luciano Raimondi in ihrem Wiener Eissalon Schelato.

Foto: Christian Benesch

Wie Kinderaugen leuchten die der beiden Freunde Philipp BIihall und Luciano Raimondi, wenn sie von ihrer neuesten Eiskreation, Granatapfel-Basilikum, erzählen. Mit ihrem Wiener Eissalon "Schelato" hatten die zwei Neogastronomen offenbar den richtigen Riecher, sprießen doch derzeit neue und kreative Eisgeschäfte wie Schwammerln aus dem Boden. Vegane Sorten gehören mittlerweile zum guten Ton und finden sich neben den bekannten Klassikern auch auf der Karte alteingesessener Eissalons.

Während sich mancher Eismacher nur einfach der Mehrheit beugt und auf der Trendwelle mitschwimmen will, haben sich andere ganz dem rein pflanzlichen Eis verschrieben. Die beiden Schwestern Susanna Paller und Cecilia Havmöller betreiben im siebten Wiener Gemeindebezirk den veganen Eissalon "Veganista" und können sich nicht über zu wenig Kundschaft beschweren - steigt doch die Nachfrage nach Eis ohne tierische Zusätze zusehends.

Blauschimmelkäse-Eis mit Zweigeltkirschen, Oregano & gebratenem Speck.
Foto: Christian Benesch

Vollwertige Mahlzeit

Es geht aber noch ausgefallener als nur vegan. Eissorten mit Gemüse und Kräutern finden mittlerweile genauso großen Anklang wie welche mit den unterschiedlichsten Käsesorten. Klingt komisch. Ist es auch. Wider Erwarten sind die eigenwilligen Eiskreationen von Blihall und Raimondi aber gar nicht so schlecht. Einer ihrer neuen Eisbecher klingt zwar wie ein vollwertiges Mittagessen, schmeckt aber dann doch nach Eis: Blauschimmelkäse-Eis mit Zweigeltkirschen und Oregano - darüber gebratener Tiroler Speck. Während viele wahrscheinlich ein pikantes Käsesorbet erwarten, überraschen die jungen Eismacher mit einem süßen Milcheis, dem Blauschimmelkäse zugesetzt wurde, welcher einen leicht pikanten Nachgeschmack hinterlässt.

Die Süße der Kirschen lässt einen den pikanten Käsegeschmack fast vergessen, wenn da nicht der gebratene Speck wäre. Bei der Umsetzung ihrer ungewöhnlichen Eisbecher werden Blihall und Raimondi von Koch und Kreativkopf Stefan Trautsch unterstützt, der ständig an neuen Kreationen feilt. Für nicht ganz so Mutige hält er einen Karamell-Schokoladeneisbecher mit Kochbananen, Fleur de Sel und Oregano oder einen Vitalbecher mit Gurken- und Granatapfel-Basilikumsorbet, Orangenblütenhonig, Joghurt und Pekannüssen parat.

Ob er sich dabei vom "verrückten Eismacher" in München inspirieren ließ? Der Bayer Matthias Münz kennt geschmacklich keine Grenzen und verkauft in seinem Geschäft unweit des Englischen Gartens unter anderem die Eissorten Brathendl, Leberkäse oder Taramosalata.

Schokolade-Karamell-Eis mit gegrillten Kochbananen und Fleur de Sel.
Foto: Christian Benesch

Trend vs. Tradition

Dass man nicht jeden Trend mitmachen muss, zeigt der Traditionseissalon Tichy in Wien-Favoriten, bei dem sich an heißen Sommertagen auch ohne Gurken- oder Rote-Rüben-Eis die Massen vor der Eistheke auf die Füße treten. "Für veganes Eis oder andere ausgefallene Kreationen hätten wir gar keinen Platz in der Kühltheke", sagt Kurt Tichy und ist sich sicher: "Wenn das Eis zu exotisch ist, kann es sein, dass man darauf sitzen bleibt. Vor allem wenn man Unmengen erzeugt und es dann niemand essen will."

Das können Blihall und Raimondi nicht bestätigen, erzeugen sie doch jede neue Eissorte frisch und bedarfsabhängig. "Wenn das Eis oben ausgeht, machen wir unten im Keller Neues. Wir haben gar nicht so viel Kühlmöglichkeiten, um Unmengen an Eis vorzuproduzieren", so Raimondi. Auch bei den Sorten wollen sich die jungen Eismacher nicht festlegen. "Wenn unser Händler heute frische Melonen hat, dann gibt es eben Meloneneis. Das ist auch eines unserer Alleinstellungsmerkmale. Die Eisproduktion ist mittlerweile extrem industrialisiert. Ich weiß nicht, ob sich das jemand antut, jeden Tag Zitronen zu pressen – ich bezweifle es", sagt Blihall, während er mit einer Engelsgeduld die Zesten der Biozitrone reißt.

Überzeugt & Kreativ

Gelernt haben die Unternehmer das Eishandwerk nicht, kommen doch beide aus der Kreativbranche. Blihall ist Filmemacher, Raimondi Modedesigner. Trotzdem wirkt es so, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.

Lässt sich mit einem Eissalon schnell viel Geld verdienen? Wahrscheinlich nicht, wenn man an die laufenden Kosten und die oft sehr kurze Saison denkt, ist sich auch Blihall sicher: "Wir investieren nach wie vor extrem viel Geld. Allein die Eismaschinen haben über 30.000 Euro gekostet." Das geht nur, wenn man von einer Idee überzeugt ist. Von Marketingkonzepten halten die beiden wenig. "Wir haben keine Agentur, die hinter uns steht. Wir machen einfach das, was uns Spaß macht, und hoffen, dass es auch den Gästen gefällt. Für uns ist es spannender, Kaktusfeige mit rosa Pfeffer in einem Eis zusammenzumischen, als irgendwelche Strategien zu erarbeiten", sagt Blihall stolz.

Hobbykoch versus Küchenchef

Ein sehr verträumter Zugang, wenn man erfahrenen und erfolgreichen Eismachern wie Kurt Tichy Glauben schenken möchte. Eis machen kann nicht jeder, ist er überzeugt: "Ich vergleiche es mit einem Hobbykoch und einem Küchenchef. Ein Hobbykoch kann bestimmt auch ein tolles Wiener Schnitzel kochen, nur fehlt ihm das Hintergrundwissen, das sich der Küchenchef über Jahre angeeignet hat." Die beiden Schelato-Betreiber haben indessen lediglich einen Kurs bei einem Konditor gemacht, um die klassische Eisproduktion zu erlernen, und konzentrieren sich lieber auf Authentizität als auf ein breites Hintergrundwissen.

Wem Zuschauen zu wenig ist, um ein eigenes Eisgeschäft zu eröffnen, der kann sich in Italien zum studierten Eismacher ausbilden lassen. Für Quereinsteiger ohne Vorkenntnisse startet in der Nähe von Bologna dieser Tage der erste Masterkurs für "Gelato Store Management" und soll junge Kreative zu richtigen Eisverkäufern machen. Das Konzept – made in Italy – läuft, ist doch der erste Lehrgang bereits restlos ausverkauft. Der nächste Kurs startet im Herbst. Mit weiteren Eisgeschäften ist also zu rechnen. (Alex Stranig, Rondo, 12.6.2015)

>> Mitmachen: Wo gibt es Ihr Lieblingseis?