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Auf Antrag von Neos und Team Stronach wurde im Parlament bei einer Sondersitzung das Thema 'Stopp dem Überwachungsstaat: Gläserner Staat statt gläserne Bürgerinnen und Bürger' diskutiert. Um das zu illustrieren, montierte Neos-Chef Matthias Strolz eine Überwachungskamera-Attrappe.

Foto: APA / Hans Klaus Techt

Wien – Bei einer von Neos und Team Stronach verlangten Sondersitzung am Montag wurde ein Dringlicher Antrag unter dem Titel "Stopp dem Überwachungsstaat" diskutiert. Die Kontenöffnung ohne richterlichen Beschluss wird darin ebenso abgelehnt wie weitere Datensammlungsermächtigungen der Behörden. Statt gläserner Bürger soll es einen gläsernen Staat geben.

Die beiden Oppositionsfraktionen orten einen Generalangriff auf die Grundrechte der Bürger. Was Informationsfluss und Transparenz betrifft, herrsche eine bedenkliche Schieflage, hießt es in der Antragsbegründung. In immer größerem Ausmaß sammle der Staat persönliche und private Daten, hülle sich selbst, seine Institutionen und Organe jedoch in Schweigen.

Besondere Kritik gibt es in dem vor allem an Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) gerichteten Antrag an der geplanten Konteneinsicht ohne richterlichen Beschluss. Verwiesen wird hier auf explodierende Zugriffszahlen in Deutschland. Neos und Team Stronach lehnen aber auch weitere Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung in Zusammenhang mit der Steuerreform ab, etwa das Nehmen von Fingerabdrücken und das Sammeln von IP-Adressen durch die Finanzbehörden.

Generell sind die beiden Parteien in dem Entschließungsantrag gegen die verdachtsunabhängige Datenspeicherung und auch die Fluggastdatenspeicherung in der EU. Und auch der Entwurf des Staatsschutzgesetzes stößt auf Kritik, werde damit doch ein zusätzlicher Inlandsgeheimdienst ohne parlamentarische Kontrolle geschaffen. Im Gegenzug soll der gläserne Staat forciert werden.

Effektive Transparenzdatenbank verlangt

Gefordert wird die Etablierung einer effektiven Transparenzdatenbank zur Abbildung des Förderwesens, die Vereinheitlichung des Rechnungswesens der Bundesländer, klare Ausgliederungsregeln samt Offenlegung der Haftungen der öffentlichen Hand, ein bundeseinheitliches Spekulationsverbot, die Implementierung eines Insolvenzrechts für Gebietskörperschaften und transparente Finanzausgleichsverhandlungen. Zudem soll es "echte Informationsfreiheit" durch Abschaffung (statt Abschwächung) des Amtsgeheimnisses und die Umsetzung eines Open-Data-Konzepts der öffentlichen Hand geben.

Schelling verspricht richterliche Kontrolle

Finanzminister Schelling machte dann auch weitere Konzessionen an die – auch parteiinternen – Kritiker an der Kontenöffnung im Zuge der Steuerreform. Man werde einen Rechtsschutzbeauftragten oder eine "richterliche Stelle" vorsehen, um die Einhaltung der Vorgaben zu garantieren, versprach er. Bisher hatte sich der Minister gegen die richterliche Kontrolle gewehrt.

Die Steuerreform mit 1,9 Mrd. Euro aus der Betrugsbekämpfung gegenzufinanzieren, verteidigte Schelling. Es gebe enorme Schäden durch Steuer- und Sozialbetrug. Die Bundesregierung wolle "die Redlichen vor den Unredlichen schützen".

Präsidentielle Rüge wegen "Verfolgungswahn"

Dem Erstredner der Neos, Klubchef Matthias Strolz, der gespickt mit persönlichen Schilderungen vor Schnüffeleien gewarnt hatte, unterstellte Schelling zunächst, "dass du psychisch unter Verfolgungswahn leidest". Nach Tadel durch Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) nahm Schelling dies schließlich zurück.

Jedenfalls würden bewusst und gezielt Informationen zu den geplanten Maßnahmen verbreitet, die nicht der Realität entsprechen, so der Finanzminister. Tatsächlich werde ein Einblick ins Kontenregister nur dann möglich sein, wenn ein abgabenrechtliches Verfahren eingeleitet werde, und zwar unter Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips und lückenlos dokumentiert.

Fingerabdrücke und IP-Adressen würden nur bei großen Finanzvergehen über 33.000 Euro zur Beweissicherung genutzt und die Abdrücke nicht gespeichert. Die entsprechenden Regelungen seien jedenfalls noch im Fluss. Nach Beendigung der Begutachtung diskutiere man nun die kritischen Punkte, allenfalls werde es Veränderungen geben. "Willkür und Schnüffelei" komme mit dem Entwurf, den man ins Parlament einbringen werde, jedenfalls nicht.

Beim Thema Transparenzdatenbank teilte er die Forderung nach einer umfassenden Abbildung des Förderwesens, bei den Ausgliederungen verwies der Finanzminister auf bestehende strenge Regeln. Beim Haftungsthema habe der Rechnungshof vor allem bei der Festlegung der Obergrenzen Kritik geübt. Mit den Ländern sei bereits vereinbart, entsprechende Regelungen zu treffen.

Fortschritte sah Schelling auch bei der Vereinheitlichung der Rechnungslegungsregeln, und beim Finanzausgleich werde er gerne über Fortschritte berichten.

Mit der Kamera in Ihr Wohnzimmer

Zuvor hatte Strolz sehr emotional vor dem "gläsernen Bürger" gewarnt und eine Überwachungskamera auf dem Rednerpult platziert. Die Bevölkerung stehe unter Generalverdacht, der Überwachungsstaat sei auf der Beschleunigungsspur. "Diese Kamera, geschätzte Bürgerinnen und Bürger, soll in Ihr Wohnzimmer kommen."

Zusätzlich zum Dringlichen Antrag kündigte er auch einen Antrag gegen die Vorratsdatenspeicherung an. Auch in seinem eigenen Bereich sei geschnüffelt worden, behauptete Strolz. "Hätten Sie irgendetwas gefunden gegen mich in meinem Lebenslauf, dann würde ich heute nicht da stehen."

Der Neos-Chef berichtete von Steuerprüfungen und der Absage eines Bankkredits "aus heiterem Himmel". Neos-Unterstützer seien immer wieder drangsaliert worden. Mit den nun geplanten Maßnahmen wolle man die Menschen erpressbar machen, richtete er seine Kritik an SPÖ und ÖVP: "Sie wollen die Bürger in die Delinquenz treiben."

Wer sich nun vor der erleichterten Konto-Einschau fürchten muss, hat die Debatte in der Sondersitzung des Nationalrats Montagnachmittag geprägt. Während vor allem SPÖ und Grüne glauben, dass es die großen Steuerhinterzieher sind, zeigten sich vor allem FPÖ und Team Stronach überzeugt, dass die "kleine Bürger" abkassiert werden sollen.

Letzte Chance für Team Stronach und Neos

Dass es überhaupt zu der Sondersitzung kommen konnte, war einer Kooperation von Team Stronach und Neos zu verdanken, die gemeinsam die für den Antrag notwendigen 20 Mandatare aufbrachten. Heute wäre das schon nicht mehr möglich, nachdem dem Stronach-Klub mit Marcus Franz und Georg Vetter zwei Abgeordnete Richtung ÖVP abhanden gekommen sind.

Stronach-Klubobfrau Waltraud Dietrich nahm diese Causa offensiv auf, indem sie darauf verwies, dass nun sogar drei Parteien hinter dem Verlangen der Sondersitzung stünden. Vetter erinnerte sie an eine vor kurzem abgehaltene Pressekonferenz, bei der man sich noch gemeinsam für den Erhalt des Bankgeheimnisses eingesetzt habe.

Sie hoffe, dass er nun innerhalb der ÖVP diese überzeugen werde. Denn aus Sicht der Stronach-Mandatarin will der Staat "den gläsernen Bürger schaffen". Daher müsse verhindert werden, dass bis in die Schlafzimmer der Bürger eingedrungen werde. Dazu gelte es auch den wirtschaftlichen Schaden zu bedenken. Wenn nun das Bankgeheimnis am Ende sei, bedeute das, dass Geld nach Asien abfließen werde.

Geld in die Karibik

Ähnliche Gedanken wälzte FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache – mit einem Unterschied. Er erwartet, dass die Gelder in die Karibik verschoben werden. Da die Regierung auch wisse, dass dies geschehen werde, sei klar, dass es bei der Aufhebung des Bankgeheimnisses nur um die "kleinen Bürger" gehe.

Überhaupt passiert aus Straches Sicht eine Entwicklung hin zu "totalitären Kontrollstaatsmechanismen". Dabei spannte der Chef der Freiheitlichen einen weiten Bogen eben von der Aufhebung der "guten alten Tradition des österreichischen Bankgeheimnisses" über die Abschaffung des Bargelds, die NSA-Spionage bis hin zum Rauchverbot in der Gastronomie.

Wider den Generalverdacht

Neos-Mandatarin Beate Meinl-Reisinger stört vor allem der "Generalverdacht", der mit der Vorlage der Regierung ausgesprochen werde. Dabei wolle die Koalition zwar die Daten der Bürger, gebe aber selbst keine heraus, fand die Wiener Spitzenkandidaten der Pinken eine Verknüpfung zur weiter fälligen Aufhebung des Amtsgeheimnisses.

Wenn die Koalition die Stimmen für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit von woher bekommen könnte, dann von den Grünen. Klubobfrau Eva Glawischnig zeigte sich in der Sache dann auch durchaus nicht abgeneigt. Der FPÖ beschied sie, dass sie Österreich offenbar zur Hochburg für ukrainische und russische Schwarzgeld-Konten machen wolle.

Grüne wollen gar nicht überwacht werden

Bei Neos und Team Stronach wunderte Glawischnig die Formulierung des Dringlichen Antrags. Denn sie wollen nicht nur keine "überbordende Ermächtigung zur Sammlung von Fingerabdrücken und IP-Adressen", sondern überhaupt keine. Dass es Änderungen brauche, sei jedenfalls klar, etwa über das Kontenregister. Denn bisher habe man nicht mal herausfinden können, wie viele Konten es überhaupt gebe.

"Zuversichtlich", dass es mit den Grünen in Sachen Zwei-Drittel-Mehrheit klappen wird, zeigte sich VP-Klubobmann Reinhold Lopatka nach heutigen Verhandlungen mit der Oppositionspartei. Man müsse nun eben einen Kompromiss suchen, sei doch bekannt, dass den Grünen Datenschutz nicht unwichtig sei. Er sage jedenfalls Ja zur Betrugsbekämpfung und rechtsstaatlichen Normen, während Teile der Opposition die Betrugsbekämpfung erschweren wollten.

"Den Steuerhinterziehern die Mauer machen"

Nichts anderes war von SPÖ-Klubchef Andreas Schieder zu hören: "Schade, dass Team Stronach und Neos Steuerhinterziehern die Mauer machen", lautete sein Urteil über den "Dringlichen" der beiden kleinen Oppositionsparteien. Bei der Gesetzesinitiative handle es sich um keinen Eingriff in die Privatsphäre sondern um ein mehr an Gerechtigkeit. Denn bisher seien es die "großen Hinterzieher" gewesen, die vom Bankgeheimnis geschützt worden seien. Dass größere Firmen immer weniger Steuern zahlten, müsse derart bekämpft werden, dass dem Staat sein fairer Anteil über bleibe.

Der Dringliche Antrag von Team Stronach und Neos wurde zum Abschluss der Sondersitzung mit der Mehrheit von Koalition und Grünen abgeschmettert. (APA, 8.6.2015)