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Organisiert von der Wiener FPÖ haben am vergangenen Mittwoch etwa 20 Menschen gegen das Asylquartier in der Erdberger Straße in Wien-Landstraße protestiert.

FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

Vergangene Woche protestierte die FPÖ Wien vor einem Asylquartier in Wien-Landstraße. "Kurier"-Fotograf Jürg Christandl twitterte ein Foto von der Protestaktion, das sich rasch verbreitete. Das Foto zeigt ein Flüchtlingskind, zwei erwachsene Flüchtlinge bei der Ankunft im Asylquartier und FPÖ-Anhänger, die Schilder mit der Aufschrift "Nein zum Asylantenheim" hochhalten. Dietrich Kops, Gemeinderat und Bezirksparteiobmann der FPÖ-Landstraße, verteidigte diese Aktion im Gespräch mit NZZ.at als "Unmutsäußerung mit Fototermin". Tage später sprach FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" von einer inszenierten Aufnahme. In einem offenen Brief an Kops kritisiert Martin Uschakow Zynismus und Menschenverachtung der Protestaktion. Er erinnert daran, was einen Flüchtling per se definiert, und empfiehlt, das Wort Mitgefühl im Duden nachzuschlagen.

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Mit einem Gefühl der Empörung und auch einer beachtlichen Portion Scham habe ich Ihr telefonisches Interview mit Moritz Gottsauner-Wolf bei NZZ.at gelesen. Zu Recht stellt dieser die Frage "Schämen Sie sich nicht?". Ihre Antworten sind an Zynismus und Menschenverachtung wohl kaum zu übertreffen, ganz zu schweigen davon, dass Sie und Ihre Partei ja nicht zum ersten Mal mit solch primitiven Mitteln auf Stimmenfang gehen.

Lassen Sie mich anhand der Genfer Flüchtlingskonvention erklären, was einen Flüchtling per se definiert: Ein Flüchtling ist eine Person, die ihr Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verlassen hat.

Politik auf dem Rücken von Minderheiten

Klingt das für Sie nach Freiwilligkeit oder gar nach Vergnügen? Ich weiß nicht, wie Sie und Ihresgleichen es geschafft haben, dass von einem doch relativ großen Teil der Bevölkerung Flüchtlinge und Asylsuchende mit Migrantinnen und Migranten verwechselt werden. Genauso unverständlich ist es, dass von Medien und Politik keine umfassende Aufklärungsarbeit dagegen geleistet wird. Seinen Unmut über eine verfehlte Politik auf dem Rücken von Minderheiten oder gar jenem derer, die alles verloren haben, auszutragen, soll und darf nicht die Lösung sein. Wenn Sie sich die Geschichte Europas ansehen, dürfte Ihnen das deutlich werden.

Recht auf Sicherheit für Flüchtlinge

Haben Sie sich schon einmal mit Flüchtlingen über deren Odysseen nach Europa unterhalten? Würden Sie Alten, Kranken, Frauen und Kindern eine solch gefährliche Reise zumuten wollen? Dass vorwiegend Männer diese Gefahren auf sich nehmen, ist mehr als verständlich – zumal mit dem Ziel, ihre Familien später in ein sicheres Land nachzuholen. Es ist einfach, vom heimischen, sicheren, gemütlichen Schreibtisch aus diesen Menschen das Recht auf Sicherheit verwehren zu wollen. Einfacher als zu versuchen, sich in die Lage dieser verzweifelten Menschen zu versetzen, sie zu verstehen und ihnen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie verdienen und dringend benötigen.

Sie und Ihre Partei maßen sich immer wieder an, die "Ängste und Sorgen" der österreichischen Bevölkerung aufzugreifen. Dabei sind Sie und Ihresgleichen diejenigen, die diese "Ängste und Sorgen" schüren und auf Minderheiten lenken wollen. Schämen Sie sich!

Des Öfteren wurde von Ihren Parteikolleginnen und -kollegen und Ihrer Wählerschaft behauptet, dass Asylwerberinnen und Asylwerber es sich in Österreich auf Kosten des Staates gemütlich machen wollten, ohne dabei darauf hinzuweisen, dass diese in Österreich weder Anspruch auf Sozialleistungen haben, noch das Recht auf Arbeit. Ich bitte Sie inständig, sich mit den österreichischen Gesetzen zum Thema Asyl vertraut zu machen und das Wort Mitgefühl im Duden nachzuschlagen. Auch über einen Rücktritt nachzudenken wäre mehr als angebracht. (Martin Uschakow, 8.6.2015)