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Die zusätzlichen Sicherheitskontrollen im Wiener Landesgericht dienen wohl eher dem subjektiven Sicherheitsgefühl.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wien - Über ein Thema wird das Schöffengericht im Terrorprozess gegen zehn Angeklagte ganz sicher nicht diskutieren: ob der "Islamische Staat" (IS) eine Terrororganisation ist. "Das wird vom Gericht als notorisch angenommen, unter anderem wegen der Resolution des UN-Sicherheitsrates", stellt Vorsitzender Andreas Hautz schon zu Beginn fest.

Und noch etwas ist von Anfang an klar: Die Wiener Polizei ist mutiger als die Justizwache. Erstere versieht in normalen Uniformen den Dienst an den Schleusen und im Zuschauerbereich des Großen Schwurgerichtssaal. Letztere treten auf, als ob der IS unmittelbar vor dem Sturm auf das Wiener Landesgericht steht: Vermummt mit Sturmhauben, geschützt von schweren beschusshemmenden Westen, führen sie die Beschuldigten - neun Männer und eine Frau - zu ihren Bänken.

Seit Sommer 2014 in U-Haft

Seit Sommer 2014 sitzt die Gruppe in Untersuchungshaft, da ihnen Staatsanwältin Stefanie Schön vorwirft, den IS unterstützt zu haben. Erstangeklagter Yunus F. soll die anderen in die Türkei gefahren haben, von wo aus sie nach Syrien weiterreisen wollten, um sich dem IS anzuschließen.

Egal, ob sie ein Sturmgewehr in die Hand nehmen wollten oder nicht, Mitglieder des IS seien dadurch alle geworden. Die Vereinten Nationen glauben an 25.000 "Foreign Fighters" in Syrien und dem Irak, schon der mögliche Nachschub aus Österreich hätte den IS zumindest moralisch gestärkt, ist Schön überzeugt.

Die großteils tschetschenischstämmigen Angeklagten und ihre Verteidiger stellen das anders dar. Nur einer bekennt sich schuldig im Sinne der Anklage, der Erstangeklagte gibt die Fahrten zu, will sich aber nicht strafbar gemacht haben. Der Rest sagt, es sei eine Urlaubsreise in andere Länder geplant gewesen, oder aber, man habe sich im "Islamischen Staat" umschauen wollen.

Diskriminierung als Motiv

Hizir B. und Malika S. , zum Beispiel. Die beiden sind ein Paar - nach österreichischem Recht leben sie in wilder Ehe, nach islamischen sind sie verheiratet. Christian Hirsch, Verteidiger des Mannes, sagt, die beiden hätten im IS leben wollen, da die vollverschleierte Frau in Österreich diskriminiert und angefeindet worden sei.

Hautz beschließt, die Angeklagten abgesondert voneinander zu vernehmen, mit Yunus F. beginnt er. Der war vor der Polizei Hauptbelastungszeuge, jetzt eiert er ziemlich herum. "Was ist ein Mujahedin?", fragt ihn der Vorsitzende. "Einer, der für Gott etwas tut. Kämpfen, Spenden sammeln oder Essen verteilen", sieht F. ein breites Spektrum. Auch der Jihad ist für ihn ein eher nebulöser Begriff.

Prahlerei mit Jihad

In der elektronischen Kommunikation mit anderen war das noch ganz anders: Er sprach vom "bewaffneten Jihad" und davon, wie viele Mujahedin er schon nach Syrien geschleust habe. "Das war Prahlerei", sagt er nun. Vor allem gegenüber einer von ihm nach Istanbul gebrachten, nun in Syrien lebenden Frau - mit der er ein Verhältnis begann. Vor seiner im Saal sitzenden Frau möchte er das eigentlich geheim halten - als ihm der Vorsitzende eröffnet, dass er dann halt die Vernehmungsprotokolle verlese, erzählt F. es doch.

Nachdem Hautz mehrmals nachbohrt, gibt der Angeklagte doch zu, gewusst zu haben, dass seine Fahrgäste um mehrere Hundert Euro nach Syrien wollten. Es sei ihm auch klar gewesen, dass sie teils Österreich als Asylwerber gar nicht verlassen durften. "Ich habe aber geglaubt, ich muss nur 300 Euro zahlen, wenn ich erwischt werde." Dass ihm bis zu zehn Jahre Haft drohen, habe er nicht gewusst.

Widerspruch zu Verteidigerin

Interessanterweise widerspricht er damit auch seiner Verteidigerin Ulla Gräfin von Deym. Die hatte im Eröffnungsplädoyer darüber hinaus noch erklärt, ihr Mandant habe seine Passagiere über das Angebot einer Mitfahrgelegenheit im Internet kennengelernt. Das dementiert F. klar: Er habe einen Tschetschenen kennengelernt, dann sei seine Nummer in der Gemeinschaft weitergegeben worden.

Der IS habe ihn zu dieser Zeit aufgrund von Erzählungen durchaus fasziniert - er habe gehört, man könne dort kostenlos wohnen, seinen Glauben ausleben und finde leicht eine Frau. Von Gräueltaten will er dagegen erst im Gefängnis erfahren haben.

Wird fortgesetzt. (Michael Möseneder, 8.6.2015)