Immer wieder verschlägt es auch Wanderer aus Österreich zum Bahnhof Schaan-Vaduz. Betuchte Privatstifter sind bisher aber nur wenige angereist.

Foto: Presse- und Informationsamt Vaduz

Wien - Im Zuge des Steuerabkommens zwischen Österreich und Liechtenstein, das Anfang 2014 in Kraft trat, wurde die liechtensteinische Stiftung in zahlreichen Veranstaltungen als echte Alternative zur österreichischen Privatstiftung propagiert. Insbesondere die Errichtung einer liechtensteinischen Substiftung als "Tochterstiftung" einer österreichischen Privatstiftung erschien vielen als taugliches Mittel, um den aufgrund der Diskussionen um neue Vermögenssteuern vermeintlich unsicheren Stiftungsstandort Österreich zu verlassen.

Gut eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Steuerabkommens und vor dem Hintergrund der beschlossenen Steuerreform in Österreich gilt es Bilanz zu ziehen:

Die Praxis zeigt, dass nur wenige österreichische Stifter den Schritt in die liechtensteinische Substiftung tatsächlich gewagt haben. Der Grund hierfür ist sicher nicht die mangelnde Attraktivität des liechtensteinischen Stiftungsrechts, das in zentralen Punkten liberaler als sein österreichisches Pendant ist. Das Problem liegt darin, dass diese Liberalität aufgrund steuerrechtlicher Vorgaben nicht genutzt werden kann.

Mehr Rechte für Begünstigte

Echte Vorteile bietet Liechtenstein im Bereich der Einflussnahme von Stiftungsbeteiligten auf die Stiftung. Begünstigte dürfen Mitglied des Stiftungsvorstandes sein und können daher als wirtschaftlich Interessierte direkt in die Stiftungsverwaltung miteinbezogen werden. Dies verhindern in Österreich die strengen Unvereinbarkeitsbestimmungen.

Darüber hinaus stellt sich die Problematik des aufsichtsrechtsähnlichen Beirats im Sinne der Judikatur des österreichischen OGH im liechtensteinischen Recht nicht; ihm sind Regelungen über den Aufsichtsrat sowie dem österreichischen Stiftungsrecht vergleichbare Unvereinbarkeitsbestimmungen für die Organe einer privatnützigen Stiftung fremd. Ein weiteres Organ mehrheitlich oder zur Gänze mit Begünstigten zu besetzen und ihm u. a. Zustimmungs- und Weisungsrechte gegenüber dem Stiftungsrat einzuräumen ist daher zulässig.

Noch mehr Vorteile

Weitere Vorteile liegen in den erweiterten Möglichkeiten für die sogenannte "Asset Protection" und in der einfacheren, formfreieren und damit kostengünstigeren Stiftungserrichtung in Liechtenstein.

Warum traten also so wenige österreichische Stifter den Weg nach Liechtenstein an? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus den sogenannten Intransparenzkriterien gemäß dem Steuerabkommen zwischen Österreich und Liechtenstein. Dort wird steuerrechtlich zwischen transparenten und intransparenten Stiftungen unterschieden. Als intransparent gilt eine Stiftung, wenn folgende drei Kriterien erfüllt sind:

· Weder der Stifter noch ein Begünstigter oder eine diesen nahestehende Person dürfen Mitglied im Stiftungsrat oder in einem Gremium sein, dem Weisungsrechte gegenüber dem Stiftungsvorstand zustehen.

· Diesem Personenkreis darf weiters kein Abberufungsrecht gegenüber dem Stiftungsrat zukommen, das nicht auf wichtige Gründe beschränkt ist.

· Schließlich darf kein ausdrücklicher oder konkludenter Mandatsvertrag zwischen Stifter und Stiftungsrat bestehen.

Steuerlich intransparent

Liegen nicht alle drei Voraussetzungen vor, so gilt die Stiftung als steuerlich transparent. Das heißt, ihre Vermögenswerte werden in wirtschaftlicher Betrachtung stets einer dahinterstehenden natürlichen Person (z. B. Stifter oder Begünstigter in Österreich) zugerechnet. Dadurch unterliegt das Vermögen weiterhin der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich. Insbesondere den Beweis zu erbringen, dass kein Mandatsvertrag besteht, erweist sich als besonders schwierig. Im Gegensatz dazu werden das Vermögen sowie die Einkünfte bei intransparenten Stiftungen nicht mehr dem Stifter oder Begünstigten zugerechnet; in einem solchen Fall unterliegen diese in Österreich lediglich der beschränkten Steuerpflicht.

Will der österreichische Stifter die Intransparenzkriterien erfüllen, dann kann er die wesentlichen Vorteile der liechtensteinischen Stiftung nicht nutzen. Dies und die Tatsache, dass die Steuerreform 2015 keine weiteren Nachteile für österreichische Privatstiftungen bringt, wird wohl auch in absehbarer Zukunft einer vermehrten Abwanderung von Stiftungsvermögen ins benachbarte Liechtenstein entgegenstehen.(Martin Melzer, Katharina Müller, 8.6.2015)