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Bacher über ...

... die Aufgabe des ORF,1967

Der Rundfunk hat jedem etwas zu bieten. Das soll aber keine Pauschalausrede für die Nivellierung nach unten sein. Nicht nur der Dumme hat Anspruch auf Berücksichtigung.


... Kulturauftrag, 1967

Der ORF muss nicht nur Referent, sondern primär eigenständiger Auftraggeber von Kultur sein.


... ORF-Jobs, 1967

Das Parteibuch hat bei uns seine Funktion als karriereförderndes Wertpapier verloren.


... Privatfernsehen, 1993

Kommerzsender degradieren Fernsehen zur reinen Ware, sie stützen sich auf die zentralen Säulen Obszönität, Gewalt und Gladiatorenjournalismus. Wie die Lebensmittelgesetzgebung die Abgabe fauler Würste verbietet, ohne die Freiheit der Metzger einzuschränken, braucht es Gesetze, die dieser Entwicklung Einhalt gebieten.


... Lebensfeind Hans Dichand und dessen "Krone",2010

Ich hielt ihn für ein österreichisches Unglück, so eine Zeitung gemacht zu haben.


... die Brüder Fellner ("News", "Österreich"), 2010

Mir imponiert ihr Draufgängertum. Auch die Unverdrossenheit, mit der sie ihre Versuche anstellen. Aber zum Bewundern ist da nichts dabei.


... die ORF-Generalswahl 2011

Die ORF-Wahl ist eine so arge Parteienveranstaltung wie nie zuvor, weil Ahnungslose und Politsäuglinge diesen Stiftungsrat besetzen.


... Glück, 2011

Den ORF führen zu dürfen hielt ich jeden Tag während dieser 20 Jahre für das Glück meines Lebens.

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Gerd Bacher ist im Alter von 89 Jahren verstorben.

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Käme er noch einmal auf die Welt, würde er einen Beruf ergreifen, "dessen Ende ich selbst bestimmen könnte", sagte Gerd Bacher mit 80 Jahren in einem Gespräch mit "Profil": "Dann wäre ich heute noch immer ORF-Generalintendant."

Den ORF zu führen hielt er über Jahrzehnte für "das Glück meines Lebens", erklärte er dem STANDARD 2011. 19 Jahre gelang ihm dieses Glück, fünf Funktionsperioden lang, zweimal nach politischen Ablösen wiedergewählt.

Gerd Bacher ist am Samstag nur wenige Monate vor seinem 90. Geburtstag an den Folgen eines Schlaganfalls in Salzburg gestorben.

Bewusstseinsmaschine

Bachers Bedeutung für das Land beschrieb Brigitte Wolf zu seinem 80er: Er habe "die größte und wirkungsmächtigste Bewusstseinsmaschine der österreichischen Nachkriegsgeschichte" gebaut, lange bedient und bis heute geprägt. Es gibt keinen Einzelnen, der das kollektive Bewusstsein Österreichs stärker beeinflusst haben kann als Gerd Bacher", schrieb die Bacher-Kennerin und ORF-Landesdirektorin.

Der Größe des Glücks entsprach Bachers Unglück mit den meisten Nachfolgern. Die mussten mit einem ORF zurechtkommen, den Bacher über Jahrzehnte in diese Dimensionen gebaut hatte.

Die Chronologie

Zwei TV-Programme, die keinen Wunsch nach privatem Fernsehen aufkommen lassen. Bis weit in die 1990er-Jahre konnte Bacher, selbst zwischendurch in den Diensten von Sat.1, "verhindern, dass dieses qualitätsverschlechternde Unglück auch bei uns in Österreich einzieht". Neun Bundeslandradios und drei nationale Radios, darunter ein kommerzielles Popradio Ö3, lange vor Privatradios und frühes Vorbild für manche von ihnen. Jedem Bundesland sein ORF-Studio, seinen Landesdirektor, auch als direkter Ansprechpartner für den Landeshauptmann, dessen Landesregierung einen ORF-Aufsichtsrat entsendet, der bei einer Generalswahl die vielleicht entscheidende Stimme liefern kann. So pragmatische Wahltaktik muss kein Widerspruch sein zu Bachers Bild als Architekt eines unabhängigen ORF.

ÖVP und SPÖ nahmen den Rundfunk so unverfroren in Besitz, dass Österreichs Zeitungen 1964 für ein Volksbegehren mobilisierten. 832.353 Menschen unterschrieben damals, bis heute eines der erfolgreichsten, mit greifbaren Ergebnissen: dem Rundfunkgesetz von 1967 unter Bundeskanzler Josef Klaus. Der war für Bacher der einzige Politiker, dem es um den ORF ging und nicht nur darum, wie es ihm im ORF ging.

Informationsexplosion

Mit bürgerlichen Stimmen im ORF-Aufsichtsrat und der Unterstützung der volksbegehrenden Zeitungen wurde Gerd Bacher 1967 General. Und verordnete dem ORF zuallererst eine "Informationsexplosion": Journalisten fragen und hinterfragen, statt Politikern wie bisher das Mikrofon hinzuhalten.

Klaus leitete denn auch die letzte ÖVP-Alleinregierung, Sozialdemokrat Bruno Kreisky wusste geschickter mit den Medien umzugehen. Um den ihm allzu eigenmächtigen Bacher loszuwerden, ließ Kreisky eine Reformkommission ein neues ORF-Gesetz erarbeiten. Neues Gesetz, neue Wahl – das Prinzip wiederholte sich 2001 unter der schwarz-blauen Regierung, um Gerhard Weis an der ORF-Spitze loszuwerden. 2012 bereitete wieder eine Arbeitsgruppe im wieder rot geführten Kanzleramt eine ORF-Reform vor.

Die Themen: Schluss machen mit Bachers Hebel, gegen Parteimehrheiten doch wieder ORF-Chef zu werden – stets holte Bacher bei Generalswahlen ORF-Betriebsräte auf seine Seite, um zu gewinnen. Sie bestimmen – im Gegensatz etwa zu Aktiengesellschaften – gleichberechtigt mit Kapitalvertretern über ihre künftigen Chefs mit. Viele Betriebsräte wurden danach bald ORF-Direktoren, -Hauptabteilungsleiter oder auch über Nacht schuldenfrei. Aus der Reformarbeitsgruppe, die auch den Aufsichtsrat verkleinern sollte, wurde bis heute: nichts.

Wohl weil Bacher die Mechaniken so gut kannte, forderte er, als er in seinen Siebzigern nicht mehr General werden wollte, so vehement, diese Schleichwege zur Macht im ORF zu versperren.

Brillanter Denker und Redner

Nur auf den ersten Blick wirkt das wie ein Widerspruch für den brillanten Denker und Redner. Wie er 2010 den Fernsehvollprofi Gerhard Zeiler an die Spitze des ORF wünschte, über dessen Quotenkurs ab 1994 Bacher maßlos enttäuscht war. Kein Widerspruch, wie Bacher "zeit meines Lebens ein fortschrittlicher Konservativer" war. Wie er die Kirche als "beste Erziehungsmaßnahme der letzten 2000 Jahre"sah, aber nicht recht an Gott glauben mochte. Deshalb hatte Bacher "große Schwierigkeiten", an ein Leben nach dem Tod zu glauben.

Bacher äußerte sich zuletzt kaum noch öffentlich, und über den ORF wollte er sich öffentlich nicht mehr ärgern.

Eine seiner letzten öffentlichen Reden hielt Bacher Anfang 2014 bei der Totenfeier für Verleger und Publizist Fritz Molden. "Fritz, du wirst uns furchtbar abgehen", rief er seinem Lebensmenschen bebender Stimme nach.

Wie furchtbar wird Bacher abgehen? Dem ORF, den Bacher nicht mehr daran erinnern wird, wie er sein könnte und sein sollte. Den Managern des ORF, den heutigen und künftigen, die Bachers so großen, vielleicht zu großen ORF nicht zuletzt mit seinen Strategien führen und mit seinen Taktiken versuchen, zu bleiben, was sie sind. Der Politik, die sein Ableben bedauern wird und sein Fehlen beklagen und weiter das machen wird, was Bacher 1967 zu beenden versprochen hat. Kurzum: Dem Land. (Harald Fidler, 28.6.2015)