Athen/Berlin - Die griechische Regierung setzt mit ihrer Verzögerungstaktik im Reformstreit ihren letzten Kredit bei den Geldgebern aufs Spiel. "Die Verbohrtheit der griechischen Regierung ist ärgerlich", sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) am Samstag. Am Vorabend hatte Regierungschef Alexis Tsipras den jüngsten Kompromissvorschlag der Gläubiger als "absurd" verworfen. Deutschlands Vizekanzler Sigmar Gabriel hielt mit den Worten dagegen: "Die Möglichkeiten, die Europa hat, sind ausgereizt."

Tsipras, der wiederholt beteuert hat, er suche einen Abschluss der Gespräche, steckt in einem Dilemma: Bei zu großen Zugeständnissen an die Geldgeber droht er die Unterstützung des radikalen Flügels seiner Linkspartei zu verlieren. Überspannt er den Bogen, könnte ein Kompromiss in den Parlamenten der Geldgeber scheitern. So müsste der Bundestag einer Änderung der Auflagen für weitere Milliardenüberweisungen nach Athen zustimmen.

Deutsche Abgeordnete frustiert

Gabriel sagte den "Stuttgarter Nachrichten", Tsipras' Problem sei, "dass er nicht bereit ist, die Dinge, die er im Land lösen muss, auch dort anzugehen". Er wolle sie vielmehr auf die Schultern der europäischen Steuerzahler verlagern: "Das wird aber nicht gehen." Eine baldige Einigung hänge "ausschließlich von der griechischen Regierung ab", sagte der SPD-Vorsitzende.

Mit ihrem Zickzackkurs verärgert die griechische Regierung auch zunehmend die deutschen CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, von denen bereits viele nur zähneknirschend der Verlängerung des laufenden Programms zugestimmt hatten. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte der "Passauer Neuen Presse", die griechische Regierung sei am Zug: "Sie muss jetzt endlich Konkretes liefern und nicht immer nur sagen, was auf keinen Fall geht." Der Unmut in der Fraktion könnte auch für die Bundesregierung zum Problem werden, wenn sie dort einen zu weichen Kompromiss präsentiert.

EU-Parlamentspräsident fordert Bewegung

Das EU-Parlament muss zwar nicht über Griechenlandhilfen abstimmen, ist aber für die Debatte auf EU-Ebene von Bedeutung. Parlamentspräsident Schulz sagte der "Passauer Neuen Presse", die EU sei Tsipras sehr weit entgegengekommen. Sie sollte sich jetzt in Richtung des von den Geldgebern vorgelegten Kompromisses bewegen.

Die Tsipras-Regierung pocht als Alternative zu weiteren sozialen Einschnitten auf einen Aufschub der Rückzahlungen an den IWF und an die EZB, für die das Geld fehlt. Im Parlament hatte Tsipras am Freitag erneut auf einen solchen Schuldenerlass beharrt. Eine andere Vereinbarung werde er nicht unterzeichnen. Am Dienstag wird Tsipras erneut in Brüssel erwartet. Im linken Syriza-Flügel waren bereits Forderungen nach Neuwahlen aufgekommen, falls die Links-Rechts-Koalition einem Kompromiss nicht zustimmen könne. Dies lehnten mehrere Minister aber ab. Die Regierung habe bereits ein Mandat.

Griechenland muss diesen Monat 1,6 Milliarden Euro an den IWF überweisen, an die EZB im Juli und im August insgesamt 6,7 Milliarden Euro. Das laufende Hilfsprogramm endet Ende Juni. Danach wären die Griechen auf sich allein gestellt.

Zeit wird knapp

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande telefonierten vor Beginn des G-7-Gipfels in Elmau mit Ministerpräsident Alexis Tsipras. Die Zeit für Athen wird knapp: Nach dem Zahlungsaufschub durch den IWF muss Griechenland bis zum 30. Juni etwa 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Am 30. Juni läuft das zweite Rettungspaket der internationalen Geldgeber aus.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Tsipras und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem hatten am Mittwoch Kompromisslinien für ein Reformpaket ausgelotet, das Voraussetzung ist für die Auszahlung blockierter Hilfsgelder von insgesamt 7,2 Milliarden Euro.

Treffen Varoufakis mit Schäuble

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble trifft am Montag in Berlin mit seinem griechischen Kollegen Yanis Varoufakis zusammen. Die Begegnung werde am Vormittag stattfinden, sagte ein Sprecher des deutschen Finanzministeriums am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters. Eine Pressebegegnung sei nicht geplant. Varoufakis wurde am Montagabend zu einer Vortragsveranstaltung in Berlin erwartet.

Der Grieche hatte zuletzt am Sonntag in seinem Internet-Blog für eine Kehrtwende der Euro-Zone bei der finanziellen Stabilisierung Griechenland plädiert. Statt der griechischen Wirtschaft weitere Sparmaßnahmen aufzubürden, sollte die EU eine Investitionsoffensive starten und sollten die internationalen Gläubiger dem Land einen Teil seiner Schulden erlassen.

Grüne und CDU/CSU fordern Votum über Hilfszahlungen

Neben führenden CDU/CSU-Politikern fordern auch die Grünen in Deutschland eine neue Genehmigung für die Auszahlung weiterer Kredite an Griechenland durch den Bundestag. Grund seien die veränderten Reformauflagen für Athen, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter der Zeitung "Bild am Sonntag": "Der Bundestag muss wesentlichen Änderungen zustimmen."

Außerdem verlangte Hofreiter in dem Interview ein drittes Hilfspaket: "Griechenland wird mit dieser Heftpflaster-Politik nur kurzfristig geholfen. Eine Umschuldung und ein drittes Hilfspaket sind für eine nachhaltige langfristige Lösung notwendig."

Führende Unions-Politiker hatten am Samstag auf eine Parlamentsabstimmung gepocht, sollten weitere Kredite an Griechenland zu geänderten Bedingungen überwiesen werden. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Peter Ramsauer (CSU), hatte sich in der "Bild"-Zeitung zugleich klar gegen ein drittes Hilfspaket ausgesprochen. "Nach dem unwürdigen mediterranen Gefeilsche mit den griechischen Reformversprechen halte ich ein drittes Hilfspaket für ausgeschlossen", zitierte ihn die Zeitung am Samstag.

Juncker fordert von Tsipras neuen Vorschlag

Juncker fordert nun neue Reformvorschläge aus Athen. "Ich habe den Alternativvorschlag noch nicht", sagte Juncker unmittelbar vor Beginn des G7-Gipfels am Sonntag in Elmau.

Er hoffe, dass der Text bald eintreffe, sagte der Kommissionspräsident. Juncker bestätigte, dass es ein neuerliches Treffen mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras in Brüssel am Rande des EU-Lateinamerika-Gipfels am Mittwoch geben solle.

Griechenland steht zwar nicht auf der Tagesordnung des zweitägigen G-7-Spitzentreffens, soll aber laut Diplomaten am Rande zur Sprache kommen. Falls nicht rasch neue Finanzhilfen fließen, droht dem Euro-Krisenland die Pleite.

Juncker sagte mit Blick auf das Ringen um neue Finanzhilfen für Griechenland: "Es gibt eine Frist." Einen Termin nannte der Luxemburger aber nicht. Ende des Monats läuft das Hilfsprogramm für das Krisenland auf europäischer Seite aus. Bis dahin muss ein Kompromiss über ein Reformpaket Griechenlands gefunden werden, sonst können blockierte Hilfen von insgesamt 7,2 Milliarden Euro nicht ausgezahlt werden. (APA, 7./6.6.2015)