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Zerstörte Straßenzüge gehören zum Alltag in Donezk.

Foto: REUTERS/Alexander Ermochenko

STANDARD: Warum sind die Kämpfe wieder aufgeflammt?

Kawa: Die Informationen dazu sind sehr widersprüchlich. Es ist schwer zu sagen, wer angefangen hat. Kiew und die OSZE vertreten eine Position, Rebellen und Moskau eine andere. Aber aus meiner Sicht war die Aktivierung der Kämpfe für die ukrainische Führung vorteilhafter, weil nach dem Frieden viele Menschen unbequeme Fragen zu stellen begannen.

STANDARD: Worin besteht das Problem der ukrainischen Führung?

Kawa: Die Wirtschaft ist das Problem. Im ersten Quartal ist das BIP um fast 20 Prozent gefallen, und dabei wurden die Krim und die Gebiete Donezk und Luhansk noch rausgerechnet. Ansonsten wäre der Absturz noch dramatischer gewesen. Der Wohlstand der Bevölkerung ist durch Arbeitslosigkeit, Hrywna-Abwertung und Inflation drastisch gesunken. Zudem hat die Regierung noch die Tarife für Wasser, Energie und Ähnliches stark angehoben.

STANDARD: Es gibt objektive Gründe für die Krise: Schulden und der Konflikt im Donbass. Welche Fehler werfen Sie der Regierung vor?

Kawa: Der größte Fehler ist: Es hat keine echten Reformen gegeben, um Unternehmern das Leben zu erleichtern. Zudem war die Tariferhöhung unüberlegt.

STANDARD: War das nicht eine Forderung des IWF?

Kawa: Der Forderung mussten beide Seiten zustimmen. Die Ukraine hätte günstigere Konditionen aushandeln können. Die Tarifanhebung war ein lange überfälliges Thema - die Regierung hat sich jetzt nur hinter der IWF-Forderung verstecken können. Die Erhöhung war aber zu drastisch.

STANDARD: Sie waren selbst bis März noch in der Regierung. Womit hängt Ihr Abgang zusammen?

Kawa: Die Radikale Partei hat von Anfang an starken Druck auf den Verkehrsminister ausgeübt, mich zu entlassen. Oleh Ljaschko hat deswegen sogar die Tribüne der Rada blockiert. Mit meiner Reform des Eisenbahn- und Automobilsektors habe ich viele Korruptionsschemen aufgebrochen, die mehreren Oligarchen zugutekamen. Ljaschko war also nur das Instrument dieser Oligarchen.

STANDARD: Sie wurden von Ljaschko als prorussischer Separatistenfreund bezeichnet. Sind Sie es?

Kawa: Nein, ich bin ein gemäßigter Politiker, dessen Arbeit auf eine starke ukrainische Wirtschaft zielt. Die Ukraine kann sich ohne wirtschaftliche Kooperation mit Russland nicht normal entwickeln. Russland ist ein Schlüsselmarkt für uns. Als ich sagte, dass wir bei der Umorientierung unserer Handelspartner vorsichtig sein müssen, haben mich viele leider nicht verstanden.

STANDARD: Wie geht es weiter?

Kawa: Das Rating der Regierung ist sehr gering. Premier Arsenij Jazenjuk hat laut Umfragen Zustimmungswerte von zwei bis drei Prozent, vor einem Jahr waren es noch über 20 Prozent. Die Regierung ist für den sozialen Abstieg verantwortlich. Ich denke daher, sie wird in Kürze umformiert. Ich schließe nicht aus, dass der Präsident die Koalition opfert. Es wird in der Ukraine Neuwahlen geben und dann eine neue Regierung.

STANDARD: Wann finden diese Wahlen statt, und was bringen sie?

Kawa: Zum Termin gibt es zwei Varianten: entweder im Oktober zusammen mit den Lokalwahlen oder im Frühjahr 2016. Die Wahlen sind eine Chance, aus der Sackgasse zu kommen. Im derzeitigen Parlament kann Präsident Petro Poroschenko die Verfassungsreformen, die zur Umsetzung des Minsker Abkommens nötig sind, nicht umsetzen, selbst wenn er es wollte. (André Ballin, 7.6.2015)