Viele Pfeile hat sie nicht mehr im Köcher, und ob sie treffen, ist auch unsicher. Doch die linksgeführte griechische Regierung von Premier Alexis Tsipras scheint nun zur Machtprobe mit den Kreditgebern des Landes entschlossen. Gegen den Widerstand von Nationalbankchef Yanis Stournaras und entgegen früheren Versicherungen entschied die Regierung zunächst, die für Freitag festgesetzte Ratenzahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) auszulassen. Eine weitere Gesprächsrunde in Brüssel mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem lehnte Tsipras ab. Dafür griff er zum Telefon und rief den russischen Präsidenten an. Wir können auch anders, soll die Botschaft aus Athen an die Geldgeber lauten.

Turkstream-Projekt

Im Gespräch mit Wladimir Putin soll es um Griechenlands Beteiligung an dem Projekt Turkstream gegangen sein, der Gaspipeline, die als Ersatz für South Stream durchs Schwarze Meer und über die Türkei und Griechenland weiter nach Europa geführt werden soll. Tsipras soll aber auch eine Teilnahme an der neuen Entwicklungsbank der Brics-Staaten angesprochen haben, hieß es in Athen. Die griechische Regierung erhofft sich Finanzhilfe von dieser Bank der aufstrebenden Volkswirtschaften von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika; sie war im Juli vergangenen Jahres gegründet worden als eine Alternative zum IWF und zur Weltbank.

Tsipras wollte am Freitagabend den Konflikt mit den Kreditgebern auch ins Plenum des griechischen Parlaments tragen und eine Regierungserklärung zum faktischen Stillstand der Verhandlungen abgeben. Den ganzen Tag über gaben Minister von Syriza Erklärungen ab, in denen sie bekräftigten, wie unmöglich eine Annahme der fünf Seiten langen Forderungen der Kreditgeber sei. Der Koordinator der Finanzverhandlungen auf griechischer Seite, Vizeaußenminister Euklid Tsakalatos, malte in einem Interview das Schreckbild von einem Auseinanderbrechen Europas und der Eurozone, sollte nun eine Einigung scheitern. Dies würde "sehr üble politische Entscheidungen" nach sich ziehen, eine Spirale von Währungsabwertungen und die Rückkehr eines Nationalismus, wie er in der Zwischenkriegszeit geherrscht hatte.

"Erpressungspaket"

Die griechische Regierung griff auch zur Drohung mit Neuwahlen, um die Kreditgeber von EU und IWF zu beeindrucken. Wenn es bei diesem "Erpressungspaket" bleibe, müssten eben alternative Lösungen gesucht werden, erklärte Dimitris Stratoulis, einer der Vize-Sozialminister vom linken Flügel der Linkspartei: "Wahlen, natürlich nachdem das griechische Volk informiert wurde." Syriza mag sich davon eine Bestätigung ihrer Linie versprechen. (Markus Bernath aus Athen, 5.6.2015)