Irland hat sich entschieden. Ehe für alle. Ist das nun aber wirklich so progressiv oder nicht eigentlich konservativ? Konservatismus ist keine klar abgrenzbare politische Theorie. Vielmehr ein Habitus beziehungsweise eine Einstellung. Eine geistige, soziale und politische Haltung. Zielt in der Regel auf den Erhalt der gesellschaftlichen Systeme ab. Exemplarisch ließen sich da anführen: die Ehe beziehungsweise die Familie, die Würde des Menschen, die Sphäre des Privaten. Evolution – nicht Revolution. Bindung an Institutionen – nicht Individualismus. Dient dem Erhalt einer bestehenden Ordnung.

Signal aus Irland

Das irische Volk ist bekanntlich konservativ. Macht das tatsächlich Sinn? Ein Volk entscheidet sich mehrheitlich dafür, einer Bevölkerungsgruppe das für sie Selbstverständliche zu ermöglichen. Lesben und Schwule erhalten per Volksabstimmung das Recht auf eine Familie – die Keimzelle des Konservatismus schlechthin. Es kommt ein Signal aus Irland. Die Rückbesinnung auf einen zentralen Wert. Die Ehe ist die dauerhafte Verbindung zweier liebender Menschen. Das ist wirklich nicht neu.

Das österreichische Volk ist zweifelsohne konservativ. Wir erfahren zuletzt, dass für zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung das größte Glück in einer liebevollen Familie beziehungsweise Partnerschaft liegt. Müsste das demnach also nicht auch für den überwiegenden Teil der Lesben und Schwulen gelten? Würden die Österreicher dieses von ihnen selbst zutiefst empfundene Glück einer Gruppe von Menschen vorenthalten?

Vermutlich würden viele es nicht übers Herz bringen und sich für die Wiege der Gesellschaft entscheiden. Für die Familie. Irgendwie logisch.

Elementare Stützen der menschlichen Gemeinschaft

Homosexuelle sind auch konservativ. Die Zahl der Lesben und Schwulen, die förmlich biedermeierliche Lebensformen wählen, ist hierzulande hoch. Und das ist ihr gutes Recht. Das Recht auf Ehe und Familie, das Recht auf Schutz der Privatsphäre (Blockade der ÖVP auch beim Diskriminierungsschutz in Sachen Zugang zu Gütern und Dienstleistungen) sind elementare Stützen der menschlichen Existenz und Gemeinschaft. Kein Justamentstandpunkt aus Jux und Tollerei.

In 80 Ländern dieser Welt ist Homosexualität nach wie vor verboten und wird zum Teil mit dem Tode bestraft. Die hierzulande gewohnten Verzögerungstaktiken unterstützen hier förmlich fahrlässig. Legitimieren die weltweit teils unfassbar grausamen Exklusionen indirekt. Österreich als Vorreiter in Sachen Unteilbarkeit der Menschenrechte? Können wir uns solche Exklusionen noch lange leisten?

Dauerblockade

Der Konservatismus hat traditionell Abgrenzungsprobleme: Nationalismus, Antiliberalismus (beziehungsweise auch Neoliberalismus) und Rechtspopulismus. Hier gibt es zahlreiche Schnittmengen. Wie die totale Entfesselung der Wirtschaft, Minderheitenfeindlichkeit und Taufscheinkatholiken. Wie lässt sich die Dauerblockade logisch eigentlich noch erklären? Ganz einfach.

Zwei Hauptströme des Konservatismus stehen zur Wahl: Restauration und Rückbesinnung auf bestehende und bewährte Werte. Für alle, die sich dem anschließen wollen. Oder Ressentiment und Rückständigkeit und damit Rechtsruck und Ausgrenzung.

Die ÖVP, so scheint es, hat sich ein weiteres Mal deutlich positioniert. Lesben und Schwule dürfen nicht konservativ leben. Was aber sollten sie stattdessen tun? Gar weiterhin auf der Regenbogenparade mit den Hintern wackeln? Normalität ist einfach nicht in Sicht. (Norbert Pauser, 4.6.2015)