Fremdsprachenkenntnisse zahlen sich auch im Tierreich aus, wie der Roststirn-Dornschnabel (im Bild) unter Beweis stellt.

Foto: Branislav Igic

Durch geschickte Warnruf-Imitationen führt er Nesträuber wie die Dickschnabel-Würgerkrähe (im Bild) in die Irre.

Foto: Branislav Igic

Canberra/Cambridge - Ein nur sechs Gramm leichter australischer Vogel entpuppte sich als wahres "Sprachgenie": Der Roststirn-Dornschnabel ( Acanthiza pusilla), einer der kleinsten Vögel Australiens, schlägt Nesträuber in die Flucht, indem er abwechselnd Warnrufe verschiedener anderer, größerer Vogelarten imitiert und damit die Präsenz gefährlicher Greifvögel vortäuscht. Das fanden Forscher der Australian National University und der Cambridge Universität durch Zufall heraus.

Die Forscher untersuchten die Reaktionen von Vögeln auf eine ausgestopfte Eule. "Ich konnte Alarmrufe von Schnäppern, Honigfressern und Sittichen hören, aber keine sehen", sagte Studienleiter Robert Magrath. Es stellte sich heraus, dass der Urheber der Rufe der kleine Dornschnabel war. Er schützt damit seine Nachkommen, wie das Team in den "Proceedings B" der britischen Royal Society berichtet. Die Dickschnabel-Würgerkrähe (Strepera graculina) zum Beispiel plündert gerne Dornschnabel-Nester.

Erfolgreiches Ablenkungsmanöver

Die Wissenschafter bauten also Dornschnabel-Nester nach, bestückten sie mit Hühnerfleisch und warteten, bis sich Dickschnabel-Würgerkrähen näherten. Dann ließen sie von Dornschnäbeln imitierte Warnrufe anderer Vogelarten, die auf die Anwesenheit größerer Greifvögel hinwiesen, vom Tonband laufen.

Die Dickschnabel-Würgerkrähen ließen sich von den Rufen tatsächlich im Schnitt für 16 Sekunden ablenken - Zeit genug für Jungvögel, um zu flüchten oder sich zu verstecken. Die imitierten Warnrufe verunsicherten die Würgerkrähen etwa doppelt so lang wie der eigene Warnruf des Dornschnabels.

Wegen der enormen Größendifferenzen zwischen dem Vögelchen und seinen Ruf-Vorbildern sei die Imitation zwar nicht perfekt. "Sie genügt aber, um den Räuber kurzfristig zu täuschen", sagte Erstautor Branislav Igic. "Ich war erstaunt, dass so ein kleiner Vogel so viele Arten nachahmen kann, die zum Teil viel größer sind als er."

Der Schwindel funktioniert, weil Dickschnabel-Würgerkrähen eine beliebte Beute von Habichten sind. Da Habichte geräuschlos jagen, lauschen die Dickschnabel-Würgerkrähen auf die Alarmrufe anderer Arten. Prinzipiell profitieren die Nesträuber also von solchen Warnrufen. Die Roststirn-Dornschnäbel sitzen aber mitunter am längeren Ast. (APA, red, 6.6.2015)