Georg Niedermühlbichler auf Barack Obamas Spuren. Der US-Präsident skandierte bei seiner Kampagne 2008 "Hope", der Wiener SPÖ-Landesparteisektretär will "Hoffnung geben".

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STANDARD: Am Mittwoch gab es eine Demonstration der FPÖ vor dem Asylwerberheim in Erdberg. Die FPÖ hat Rückenwind. Sie hat zuletzt in der Steiermark stark zugelegt. Im Burgenland könnte demnächst eine rot-blaue Koalition stehen. Was ist die Antwort der SPÖ auf eine solche Demo?

Niedermühlbichler: Das war ein kleiner Haufen, noch viel weniger als bei der Pegida-Demo. Unsere jungen Parteimitglieder haben eine Gegendemonstration gemacht und waren bei weitem mehr. Es ist letztklassig, dass die FPÖ versucht, auf dem Rücken der Ärmsten, Politik zu machen. Das ist es auch, was wir den Leuten klarmachen wollen.

STANDARD: Nach Bekanntwerden der FPÖ-Zugewinne in beiden Bundesländern, sagten Sie, die Wiener SPÖ sehe sich in ihrem Kurs bestätigt. Warum sind Sie sich da so sicher?

Niedermühlbichler: Ich bin jetzt noch überzeugter als am Sonntag, weil die Nachwahlanalysen gezeigt haben, dass man mit Themen, die die FPÖ stärken, keinen Wahlkampf machen sollte. Sowohl Franz Voves als auch Hans Niessl haben drei Monate vor der Wahl begonnen, von der Integrationsunwilligkeit zu trommeln. Im Burgenland wurde auch das Thema Sicherheit gespielt. Wenn man aber Themen bringt, wo die FPÖ Gehör findet, wird sie auch einen Stimmenzuwachs haben. Wir haben uns deshalb von Anfang an dazu entschieden, unsere Themen zu bringen. Das sind Wohnen, Arbeit und Bildung. Und nicht in die Falle zu tappen, FPÖ-Themen zu spielen.

STANDARD: Das heißt, Sie werden die FPÖ ignorieren?

Niedermühlbichler: Nein, das kann man so nicht sagen. Man kann Hetze und Auseinanderdividieren nicht ignorieren und muss etwas dagegen setzen. Wer sind diejenigen, die auf die FPÖ ansprechen? Das sind Menschen, die keine Hoffnung haben, und meinen, es wird alles nur schlechter. Unsere Aufgabe wird es daher sein, den Menschen zu sagen, dass wir das Sozialprojekt Wien – wir sind die sozialste Stadt Europas – weiter entwickeln wollen. Wir müssen Hoffnung geben und das noch stärker verkaufen.

STANDARD: Können Sie die "Menschen ohne Hoffnung" noch näher definieren? Warum haben sie keine Hoffnung? Was gab es für Versäumnisse in der Vergangenheit?

Niedermühlbichler: Es gibt aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit viele, die das Gefühl haben, es wird nicht mehr besser. Auch die permanente Diskussion der leeren Kassen, des unfinanzierbaren Pensionssystem, des Sparens hilft da nicht weiter. Wir müssen entgegenhalten, dass Wien eine sehr reiche Stadt ist, dass wir das Sozialsystem weiter ausbauen wollen. Der Gratiskindergarten wird nicht abgeschafft. Von konservativer Seite heißt es aber immer nur sparen, sparen, sparen.

STANDARD: Was aber, wenn die Botschaften trotzdem nicht ankommen?

Niedermühlbichler: Der Punkt ist, dass es genau die Menschen betrifft, die weniger haben, und die Angst haben, das wenige noch zu verlieren. Wir werden zielgruppenorientiert vorgehen und Hausbesuche machen, um die Botschaften zu übermitteln.

STANDARD: Sie haben es schon angesprochen: In der Steiermark wurde das Thema Integrationsunwilligkeit thematisiert. War das der zentrale Fehler des Wahlkampfs?

Niedermühlbichler: Es war nicht vernünftig, die Themen der FPÖ anzusprechen. Diesen Fehler werden wir nicht machen. Wie stellt man Integrationsunwilligkeit überhaupt fest? Ist ein Tiroler, der in Wien seine Lederhose trägt, auch integrationsunwillig? Das ist unausgegoren. Da wird was aufgeworfen, wofür man keine Lösung hat.

Das Problem dieser Landtagswahlen war auch, dass die Zelte der Innenministerin das Bild produziert haben, die Politik werde mit der Asylthematik nicht fertig. Das hat weder SPÖ noch ÖVP genutzt.

STANDARD: Mikl-Leitner macht aber weiter: Sie lässt weitere Zelte aufstellen. Hat sie also noch nicht aus ihren Fehlern gelernt?

Niedermühlbichler: Das ist eine Trotzreaktion und einer Innenministerin nicht würdig. Es gibt viele Bundesgebäude, die leer stehen, in einem Fall sogar direkt neben einem Platz, wo Zelte aufgebaut wurden. Man kann die Flüchtlinge auch unterbringen, ohne mit den Landeshauptleuten in Verhandlungen zu treten. Mikl-Leitner sollte sich das nochmal überlegen.

STANDARD: Muss die SPÖ vehementer gegen die Errichtung der Zelte auftreten?

Niedermühlbichler: Die SPÖ wird mit der Innenministerin Klartext reden müssen. Unser Verteidigungsminister bietet Räumlichkeiten an, die offensichtlich nicht genommen werden.

STANDARD: Muss Bundeskanzler Werner Faymann eine deutlichere Position einnehmen?

Niedermühlbichler: Ich glaube, er wird ihr das ganz deutlich sagen. Aber es ist gut, dass der Bundeskanzler der Ministerin nicht über die Öffentlichkeit etwas ausrichtet, sondern es ihr in einem Gespräch sagt.

STANDARD: In der Steiermark und im Burgenland gibt es nun viel Kritik an Franz Voves und Hans Niessl. An Voves, weil er nicht zurücktritt, obwohl er das bei einem Ergebnis unter 30 Prozent angekündigt hat. An Niessl, weil er Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ führt. Sind beide Entscheidungen für Sie nachvollziehbar?

Niedermühlbichler: Ich halte es gerade in der Steiermark für wichtig, nicht die Flinte ins Korn zu werfen. Im Vorfeld hätte man es vielleicht anders kommunizieren müssen und sich keine Latte legen sollen. Die Inhalte sollten im Wahlkampf im Vordergrund stehen. Im Burgenland verstehe ich, dass man sich der ÖVP nicht komplett ausliefern will. Ich warne aber davor, einen ernsthaften Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ in Erwägung zu ziehen. Man muss dann fünf Jahre lang mit den Personen zusammenarbeiten. Die FPÖ Burgenland hat sich nicht von Heinz-Christian Strache distanziert.

STANDARD: In Wien wird es also keine Messlatte geben, ab der Bürgermeister Michael Häupl zurücktreten muss?

Niedermühlbichler: Wir treten mit Inhalten an, es geht nicht um Prozente. Wir werden einen positiven Wahlkampf führen. Dann wird man weiter schauen, was passiert.

STANDARD: Sie haben fünf Jahre lang in Wien mit den Grünen regiert. Wollen Sie das fortsetzen?

Niedermühlbichler: Das werden wir nach der Wahl sehen. Unser Ziel ist es, so stark zu werden, dass kein Weg an uns vorbeiführt. Wir können uns Gespräche mit allen außer der FPÖ vorstellen. Dann schauen wir, was die Inhalte sind. Klar ist: Es ist schön und nett, wenn man sich um die Radfahrer kümmert, aber es wird auch andere Themen geben, die in den nächsten fünf Jahren wichtig sind. Die Frage wird sein, mit wem man das am besten umsetzt.

STANDARD: Die absolute Mehrheit ist kein Wahlziel mehr?

Niedermühlbichler: So stark zu sein, dass kein Weg an uns vorbeiführt – das ist unser Wahlziel. (Rosa Winkler-Hermaden, 4.6.2015)