Die Besiedlung des Darms mit Bakterien beeinflusst laut einer neuen Studie die Immunabwehr des Gehirns. So haben die Mikroben möglicherweise einen Einfluss auf Hirnerkrankungen wie Alzheimer und Multiple Sklerose. Ein Team unter der Leitung der Universitätsklinik Freiburg im Breisgau konnte nachweisen, dass die Funktion bestimmter Gehirnzellen durch Abbauprodukte von Darmbakterien gesteuert wird.

Mikroglia-Zellen

Diese Mikroglia genannten Zellen sind für das Entsorgen von Keimen und abgestorbener Hirnzellen aus dem Gehirn sowie für eine gesunde Hirnentwicklung zuständig. Die Wissenschafter stellten fest, dass Mäuse, die in einer komplett keimfreien Umgebung aufgezogen und gehalten wurden, verkümmerte und unreife Mikroglia besaßen. Die Zellen reagierten kaum auf Entzündungsreize im Gehirn. Auch Tiere, deren Darmbakterien durch eine vierwöchige Antibiotika-Therapie abgetötet worden waren, wiesen eine gestörte Immunantwort auf.

Doch wenn die Mäuse mit gesunden Artgenossen in Kontakt kamen, etablierte sich bald eine Darmflora. Auch die Mikroglia-Zellen waren gesünder, wie die Forscher im Fachjournal "Nature Neuroscience" berichten. "Je größer die Vielfalt der Darmbakterien war, desto besser entwickelten sich auch die Mikroglia", sagte Studienleiter Marco Prinz in einer Mitteilung des Klinikums.

Ausgewogene Ernährung entscheidend

Die Forscher wiesen nach, dass kurzkettige Fettsäuren als Botenstoff zwischen Darmflora und Mikroglia dienen. Diese werden produziert, wenn Bakterien Ballaststoffe, Milchprodukte oder andere Nahrungsmittel abbauen. "Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, wie wichtig für die geistige Gesundheit eine ausgewogene Ernährung ist", sagte Prinz - und Bakterien, die daraus kurzkettige Fettsäuren herstellen können.

Die Studie dürfte auch für den Menschen eine hohe Relevanz haben, schätzen die Forscher. Es ist bekannt, dass fehlgesteuerte Mikroglia-Zellen bei mehreren Hirnerkrankungen wie Alzheimer-Demenz eine Rolle spielen. Bei Entzündungskrankheiten des Gehirns wie Multipler Sklerose konnten Zusammenhänge mit der Darmflora gefunden werden.

Zu den Resultaten passt auch, dass Autoimmunerkrankungen des Darms wie Morbus Crohn mit einem Mangel an kurzkettigen Fettsäuren in Verbindung gebracht werden. Hier wird seit einiger Zeit die Behandlung durch eine so genannte Stuhltransplantation geprüft, bei der die Darmflora von einem Menschen auf einen anderen übertragen wird. (APA, 3.6.2015)