Der Energiespeicher unter der Erde wird bislang wenig genutzt.

Foto: Malte E. Kollenberg

Auf den Philippinen soll sich das nun ändern.

Foto: Malte E. Kollenberg

Liezle Atilano klingt erleichtert und beruhigt. "Dieses Projekt soll Elektrizität produzieren, es geht nicht darum, Bergbau zu betreiben", sagt die 45-Jährige vom Stamm der Mangyan. Als die Norweger und Australier zum ersten Mal auf die philippinische Insel Mindoro kamen, um eine Schneise in den Wald zu schlagen, hatte sie Angst um ihre Heimat. Dann kamen noch die großen Bohrmaschinen, und Atilano fühlte sich an die Vergangenheit erinnert. Immer wieder kamen Fremde, um auf Mindoro Edelmetalle abzubauen. Ausbeutung der Bevölkerung und der Natur waren keine Ausnahme.

Die Mangyan-Stämme in der Region sehen ihre Umgebung als heilig an, es ist das Land ihrer Ahnen. Fälle wie das Marcopper-Minendesaster haben die Mangyan skeptisch werden lassen. 1996 hatte ein Bergbauunfall ganze Landstriche und Wassergebiete verseucht. Bis heute dauert der Streit um Ausgleichszahlungen an.

Doch die Agenda von Emerging Power ist eine andere: Das Unternehmen hat das ehrgeizige Ziel, mit geothermischer Energie den Stromhunger der aufstrebenden Volkswirtschaft zu decken. Inseln wie Mindoro sollen zuverlässig und fast autark mit Elektrizität versorgt werden. Zum einen soll so umweltschonend Energie gewonnen, zum anderen der hohe Energiepreis pro Kilowattstunde um fast 50 Prozent auf knapp 14 Cent gesenkt werden.

Seit Jahrhunderten genutzte Technik

Erdwärme könnte die Energiequelle der Zukunft sein. Denn es gibt sie in unerschöpflicher Menge. Unter der Erdoberfläche schlummert ein Energiespeicher, der bisher nur wenig genutzt wird. Doch besonders in vulkanreichen Regionen der Erde bietet sich die Energiegewinnung aus Vulkanhitze an. Das heiße Innenleben der Erde dient als Energiequelle für den Betrieb von Dampfturbinen. Diese erzeugen Strom. Oder der Dampf wird direkt genutzt, um in kalten Regionen Gebäude zu heizen. Es handelt sich um Technologien, deren Nutzung zum Teil schon Jahrhunderte zurückreicht. Das erste Erdwärmekraftwerk der Welt wurde vor mehr als 100 Jahren im italienischen Larderello gebaut.

Fidel Correa steht, komplett ausgerüstet mit Sicherheitsweste, Stahlkappenschuhen, Helm, Schutzbrille und Ohrenschutz, ein paar Meter entfernt von einem von drei Testbohrlöchern in der Gemeinde Naujan auf Mindoro. Während der Bohrlärm hinter ihm ohrenbetäubend wird, erklärt der leitende Ingenieur des Unternehmens: "Wir wollen wissen, wie die Temperatur in 1000 oder 1200 Meter Tiefe ist. Das würde uns einen Anhaltspunkt liefern, wie viel Energie wir hier gewinnen können."

Emerging Power führt an mittlerweile drei Stellen in der Region Probebohrungen durch. Das ehrgeizige Energieziel, das erreicht werden soll, sofern die Bohrungen erfolgreich verlaufen: 40 Megawatt. Damit ließe sich ganz Mindoro mit Strom versorgen. Die Insel wäre so unabhängig von der Stromzufuhr aus anderen Landesteilen, die immer wieder durch Wind, Wetter und Umweltkatastrophen unterbrochen wird. Und vor allem wäre Mindoro auch unabhängig von Energie aus fossilen Brennstoffen.

Felix Guida, der 37-jährige Bürgermeister des 1900-Seelen-Ortes Montelago in Naujan, kennt die schwierige Energiesituation der Gegend gut: "Wir sind ein abgelegenes Dorf. Stromleitungen erreichen uns zwar, aber bei Sturm? Stromausfälle sind der Normalzustand hier."

Die Philippinen haben Wachstumsraten, die selbst China im einen oder anderen Quartal überflügeln. Und damit steigt auch der Energiehunger; da die Infrastruktur vernachlässigt worden ist, aber eben auch die Wahrscheinlichkeit von Stromausfällen, selbst in der Metropole Manila.

Neben den USA sind die Philippinen der weltweit zweitgrößte Produzent von Erdwärme. Bereits 1962 wurden vom damals noch existierenden Institut für Vulkanologie zahlreiche Studien durchgeführt, in denen die im Land existierenden heißen Quellen auf ihre Tauglichkeit für die Energieproduktion mittels Erdwärme katalogisiert wurden. Als Reaktion auf das Ölembargo der 1970er-Jahre waren von der Regierung auf den Philippinen vier Geothermiekraftwerke in Auftrag gegeben worden. In den 1980er-Jahren wurden bereits weitere mögliche Standorte ausgelotet. Auch die Insel Mindoro, auf der Emerging Power heute tätig ist, war damals von der philippinischen Regierung ins Auge gefasst worden, erzählt man sich im Ort Montelago. Richtig angelaufen ist das Projekt damals aber nicht. Nun kehrt diese Form der Energiegewinnung, getrieben von privaten Investoren, zurück.

Der Wirtschaftsanalyst Benjamin Diokno von der Universität der Philippinen ist nichtsdestominder pessimistisch, was die Energiezukunft des Landes angeht: "Wir müssen in den kommenden 15 Jahren jedes Jahr zusätzlich Anlagen mit 600 Megawatt bauen, um unseren Energiehunger zu decken", sagt er.

Atomkraftwerk nicht in Betrieb

Atomstrom wäre eine schnelle Alternative. Ein Kraftwerk haben die Philippinen zwar bereits seit fast 30 Jahren, doch das Bataan-Atomkraftwerk ist nie ans Netz gegangen. Die Philippinen sind ein aktives Vulkan- und Erdbebengebiet. Diesen Umstand könnte das Land nun nutzen und mit dem Ausbau der Geothermalenergie ein Beispiel für die gesamte Region setzen. Schon heute werden pro Jahr zwölf Prozent oder 1,8 Gigawatt des Energiebedarfs aus geothermischen Anlagen gewonnen. Auch für viele andere Länder entlang des Pazifischen Feuerrings könnte die Hitze von unten die Zukunft der Energiegewinnung darstellen. (Malte E. Kollenberg aus Manila, 4.6. 2015)