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Ein asiatischer Künstler spielt eine unglückliche deutsche Modeschöpferin: Die Installation "Lerne Deutsch mit Petra von Kant" von und mit Ming Wong aus dem Jahre 2007.

Foto: APA/EPA/SONJA ÜMARZONER

Dass Rainer Werner Fassbinder eine Schreibmaschine und eine Sitzlandschaft besaß, das gehört nicht gerade in die Rubrik "historische Sensationen". Derlei Gegenstände eignen sich aber gut für eine Ausstellung, die es sich unter dem Titel Fassbinder - jetzt zum Ziel gesetzt hat, Leben und Werk des wohl bedeutendsten deutschen Filmemachers nach dem Zweiten Weltkrieg für die Gegenwart neu zu erschließen.

Auf zwei Flügeln im obersten Geschoß des Gropius-Baus ist die Ausstellung zu sehen; wer nach links geht, kommt zu den Sachen, wer nach rechts geht, kommt zu den Bildern. Bei den Sachen erwartet einen zuerst die Schreibmaschine, dazu auch noch ein historisches Tonbandgerät, ein Rennrad, zahlreiche Kostüme von Barbara Baum, dazu eine lange Vitrine mit Papier. Und eben diese Sitzgruppe Terrazza, entworfen von Ubald Klug 1973 für die Schweizer Manufaktur Sede: Ein dekadentes Teil, unbequem, aber auch irgendwie orgienaffin, und vor allem von skulpturaler Schönheit. Würde sie in einen Film von Fassbinder passen? Unbedingt.

Die Dinge des Lebens

Und das ist die Hauptfrage, geht es bei solchen Ausstellungen doch immer darum, einen Zusammenhang zwischen den Dingen des Lebens und den Kunstwerken herzustellen. Das sind die zwei Flügel der Hinterlassenschaft von schöpferischen Menschen. Der Politik der Fassbinder Foundation, die in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Filmmuseum in Frankfurt/Main hinter der Ausstellung steht, ist es zu verdanken, dass der 1982 verstorbene Fassbinder inzwischen multimedial fast so gut vertreten ist wie Stanley Kubrick, der vermutlich die emsigsten Sachwalter hat. Im linken Flügel wird man aber kaum Antwort auf die Frage finden, was das "Jetzt" an Fassbinder ist. Dazu muss man nach rechts gehen. Man findet dort Werken von Künstlern der Gegenwart, die sich entweder ausdrücklich mit Fassbinder beschäftigen oder aber bei denen die Kuratoren Parallelen erkannt haben.

Drei Leuchtbilder von Jeff Wall führen dieses assoziative Prinzip deutlich an die Grenze des Beliebigen, wobei nicht bestritten werden kann, dass Fassbinder sich für Licht und Farben (und für Bildkomposition) sehr interessiert hat.

Zwei Arbeiten ragen aus diesem Teil der Schau heraus: Runa Islams Videoinstallation Tuin und Ming Wongs Lerne Deutsch mit Petra von Kant. Runa Islam geht von einer der berühmtesten Fassbinder-Szenen aus, dem Kameraschwenk einmal vollständig im Kreis in Martha, als Karlheinz Böhm und Margit Carstensen auf einem Parkplatz aufeinandertreffen. In Tuin wird dieses Manöver, das sich in seiner gleitenden Mobilität im Film selbst auch undurchschaubar macht, auseinandergenommen, indem ein Gegenschuss hinzugefügt wird.

Man sieht hier nun nicht nur, wie Martha auf die Kamera zuläuft. Man sieht auch den (unterstellten) Blick, den Helmut Salomon, die männliche Hauptfigur in Martha, auf sie wirft, während er ihr entgegengeht. Der Schwenk, für den Schienen im Kreis gelegt wurden, funktioniert nur, so beide Darsteller in dessen Innerem eine Weile stillstehen - nahe beisammen. Diesen Moment, der im Film im Schwindel der merkwürdigen Kamerabewegung verschwindet, legt Runa Islam frei.

Deutsch lernen

Ming Wong, geboren in Singapur, nun von Berlin aus tätig, spielt in Lerne Deutsch mit Petra von Kant selbst die Hauptrolle. Schon daraus ergibt sich eine wesentliche Facette seiner Arbeit. Sie beschäftigt sich mit einem Faktor, der bei Fassbinder eine wichtige Rolle spielt: mit der Konstruktion von Identitäten.

Dass ein schwuler asiatischer Künstler eine sadistische deutsche Modeschöpferin "spielt", verweist auf die vielen Dimensionen von Identität, die die Figuren von Fassbinder so interessant zugleich für Identifikation und für Verfremdung machen. Ming Wong hätte sich auch mit dem Marokkaner Ali aus Angst essen Seele auf identifizieren können (ein Filmtitel, der zum geflügelten Wort wurde, wie aus einer Arbeit von Rirkrit Tiravanija hervorgeht). Aber es macht eben mehr Sinn, auch von Fassbinder her, sich auf das zu beziehen, was einem fremd ist. Die Größe der Fassbinder-Filme liegt eben darin, wie er diese Arbeit der Zerlegung von mythischen Einheiten (Figur, Geschlecht, Identität, Gemeinschaft, Politik, Genre) im Kino vorgenommen hat. Davon gibt die Ausstellung einen eher schwachen Abglanz. (Bert Rebhandl aus Berlin, 31.5.2015)