Auch im Wiener Schubgefängnis Roßau wird es wieder mehr Gefangene geben.

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Wien – Eigentlich sollten die neuen Schubhaftregeln erst Anfang Juli in Kraft treten, im Zuge des am Donnerstag vor einer Woche im Nationalrat beschlossenen Fremdenrechtsänderungsgesetzes, der sogenannten Asylnovelle. Doch bis dahin wollte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nicht warten.

"Anfang Juli ist mir zu spät", begründete sie am Freitag in Linz vor der Presse, warum sie mit sofortiger Wirkung eine Verordnung erlassen hatte, die der Asylnovelle vorgreift und dazu führen wird, dass wieder mehr Asylwerber als zuletzt in Schubhaft sitzen.

"Erhebliche Fluchtgefahr"

Jene nämlich, deren Verfahren laut der Schengen-weit geltenden Dublin-III-Verordnung in einem anderen Unions-Mitgliedstaat als Österreich geführt werden soll. Und die dies absolut nicht wollen, sodass bei ihnen von "erheblicher Fluchtgefahr" die Rede sein kann.

Laut dem Anwalt und Fremdenrechtsexperten Georg Bürstmayr ist davon auszugehen, dass dies in Österreich jährlich in "mehreren Hundert bis über tausend" Fällen zutrifft. In diesen allen sei ein "meist kurzer" Freiheitsentzug in einer Schubhaft ab sofort wieder legal.

Im Einzelfall zu prüfen

Um als "erheblich" zu gelten, muss das Fluchtrisiko im Einzelfall genau definiert sein: So verlangt es die seit Anfang 2014 in Kraft befindliche Dublin-III-Verordnung. Vor der Asylnovelle, die im Juli Geltung erlangt, war dies im heimischen Fremdenpolizeigesetz nirgends festgehalten.

Aus diesem Grund hatte der Verwaltungsgerichtshof die für Dublin-Fälle geltenden Schubhaftregeln im heurigen März außer Kraft gesetzt. Anlass war der Fall eines Mannes aus Eritrea, der nach Italien zurückgeschickt werden sollte.

Leeres Vordernberg

Doch da zu diesem Zeitpunkt alle sogenannten Dublin-Fälle ohne ausreichende Fluchtrisiko-Prüfung eingesperrt waren, ging die Wirkung weit darüber hinaus. Alle Dublin-Inhaftierten, bundesweit damals rund 60 Personen, mussten auf freien Fuß gesetzt werden.

Infolgedessen entvölkerte sich unter anderem das Vorzeige-Schubhaftzentrum im steirischen Vordernberg. Dort verblieben nur zwei Häftlinge. Inzwischen werden in Vordernberg neu nach Österreich gekommene Flüchtlinge bis zu 48 Stunden angehalten.

Unverständliches Festhalten

Das werde man auch weiter so halten können, meint Bürstmayr, denn leere Schubhaft-Zellen gebe es etwa auch in Wien und Salzburg. Fraglich sei hingegen, ob Mikl-Leitners Verordnung europarechtskonform sei: eine Einschätzung, die am Freitag auch von Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun kam.

Insgesamt, so Bürstmayr, sei unverständlich, "warum das Innenministerium gerade jetzt so sehr am Dublin-System festhält": Nach den Vorschlägen der EU-Kommission, Flüchtlinge innerhalb der Union zu verteilen, sei "das Dublin-System de facto tot, auch wenn sich eine Reihe Mitgliedstaaten der Verteilung derzeit noch querlegt". (Irene Brickner, 29.5.2015)