Enthüllungsjournalist Gérard Davet.

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Wegen der vielen Korruptionsskandale in der französischen Politik würden neue Enthüllungen kaum noch jemanden überraschen, sagt der Aufdecker Gérard Duvet. Er ist Co-Autor eines Buches über mutmaßliche finanzielle Unregelmäßigkeiten in der konservativen französischen UMP, die jetzt in "Republikaner" umgetauft werden soll. Parteichef Nicolas Sarkozy wolle mit der Namensänderung vor allem das schlechte Image seiner Formation loswerden, sagt er. Doch juristische Probleme könnten den Expräsidenten wieder trotzdem einholen.

STANDARD: Versucht Nicolas Sarkozy mit dem neuen Namen für die UMP auch eine Imagekorrektur?

Gérard Davet: Ich denke schon. Nicolas Sarkozy will mit der Vergangenheit brechen, denn das Kürzel UMP ist heute sehr negativ belastet, zum Beispiel durch die Affäre Bygmalion, da ging es um zu hohe Wahlkampfspesen des Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy, der diese illegalerweise auf die Parteibuchhaltung übertrug. So etwas bleibt in den Köpfen.

STANDARD: In "French Corruption" beschreiben Sie die Sitten im Département Hauts-de-Seine, einer UMP-Bastion. Dort zuckt man nur mit den Schultern ...

Davet: Es gibt eine latente Korrumpierung der Politik. Das französische System fördert einen Klientelismus mit skrupellosen Politikern, die den Wählern einen Platz in der Tageskrippe verschaffen oder einen Kinderspielplatz einrichten. Das ist für viele Franzosen wichtiger als die öffentliche Moral.

STANDARD: Ein Sarkozy-Freund mit Hafterfahrung erzählte Ihnen, wie er geheime Parteigelder von Schweizer Bankkonten abhob und sie im Wald vergrub - bis dummerweise Wildschweine die 500-Euro-Scheine im Wert von zwei Millionen Euro ausbuddelten. Existieren solche Praktiken heute noch?

Davet: Natürlich. Das perfekte Beispiel ist Patrick Balkany, Bürgermeister von Levallois-Perret im Département Hauts-de-Seine. Dieser sehr enge Freund Sarkozys verwendet öffentliche Gelder zu privaten Zwecken und muss sich vor Gericht wegen Steuerbetrugs verantworten. Organisiert wurde der Betrug von Sarkozys Geschäftspartner Arnaud Claude, gegen den nun auch ermittelt wird - wie gegen mehr als 20 andere Freunde Sarkozys.

STANDARD: Und Sarkozy selbst? Sie vermuten, dass er ein geheimes Konto in der Schweiz unterhielt.

Davet: Es gibt mehrere Indizien dafür, aber der Beweis fehlt. Die Affäre Swiss Leaks könnte aber noch einige Enthüllungen bringen.

STANDARD: Immerhin vermittelte Sarkozy als Anwalt wohlhabende Franzosen an Genfer Banken, bevor er als Staatspräsident der Steuerflucht selbst den Kampf ansagte.

Davet: Ja, aber ein Beweis für die Beihilfe zu illegaler Steuerflucht liegt nicht vor.

STANDARD: Welche der Affären kann für Sarkozy denn am gefährlichsten werden?

Davet: Am brenzligsten ist das Strafverfahren wegen Bestechung eines Richters, dem er im Gegenzug für vertrauliche Ermittlungsinformationen einen Posten in Monaco versprach, wie die Richter bei der Abhörung von Sarkozys Telefon feststellten. Das könnte ihn vor Gericht bringen. Und wenn ein Mann, der Staatspräsident werden will, wegen Bestechung angeklagt ist, wäre das doch sehr speziell.

STANDARD: Die Affäre der UMP erinnert an die Skandale der spanischen Konservativen. Warum gibt es in Frankreich keine neuen Linksparteien wie Podemos?

Davet: Linksextremisten wie Jean-Luc Mélenchon oder die Grünen sind zu wenig glaubwürdig. Und neue Bürgerbewegungen haben es schwer, in einem letztlich konservativen Land wie Frankreich die etablierte Ordnung zu erschüttern. (Stefan Brändle, 28.5.2015)