Intensität, Glaubwürdigkeit: Evylin Herlitzius (Brünnhilde).

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wien - Zugespitzt, also ungerecht formuliert: Es schein bisweilen, als müssten, um an der Wiener Staatsoper Premierenqualität zu erleben, Repertoireabende besucht werden. An solchen zeigt man gerne szenisch-musikalische Großform, eine Atmosphäre stellt sich ein, die gemeinhin nicht dem Opernalltag zugerechnet wird.

Ebensolches geschah irgendwie doch bei der Götterdämmerung, die zwar immer auch eine vokale und instrumentale Materialschlacht darstellt. Im Kern allerdings glänzte dieser Abend bemerkenswert: Stephen Gould (als Siegfried) verband imposante Durchschlagskraft mit kultiviertem Klang, Falk Struckmann berückte als Hagen mit düsterer Präsenz, Boaz Daniel erfreute als tadelloser Gunther und Caroline Wenborne als solide Gutrune, während Richard Paul Fink als scharf konturierter Alberich reüssierte. Auch war es schön, wieder einmal Anne Sofie von Otter (hier als Waltraute) erlebt zu haben.

Schließlich auch Qualität im Dreierfach: Monika Bohinec, Stephanie Houtzeel und Ildikó Raimondi gefielen als Nornen; ebendies taten die Rheintöchter, also Ileana Tonca, Ulrike Helzel und Juliette Mars. Doch all dies wäre nicht auf jener besonderen Energieebene gelandet, wäre nicht Evelyn Herlitzius tief in die Figur der Brünnhilde eingetaucht.

Ja, es gab schrille Töne zuhauf. Mit welcher Hingabe und Wucht aber bei Herlitzius Seelendruck zum großen Ausdruck wurde - das hatte Klasse. Vokale Grenzgänge wurden transformiert zu einem Figurenporträt von höchster Glaubwürdigkeit, bis am Ende die vokalen Kräfte nachließen (außer bei den fulminant intensiven Spitzentönen).

Das Staatsopernorchester trug seinen Teil dazu bei, die Energie hochzuhalten. Simon Rattle ist der richtige Dirigent, so es darum geht, bei aller Expressivität Details präsent zu halten, Konturen nicht grob werden zu lassen und Steigerungen meisterlich zu organisieren. Ach, ja, das Blech ließ manchmal Sauberkeit missen. (Ljubiša Tošić, 26.5.2015)