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Eine aufwendige Untersuchung, die das renommierte Fachblatt "Science" im Dezember publizierte, schien zu belegen, dass konservative Personen nach Gesprächen relativ leicht ihre Meinung zu homosexueller Ehe ändern würden. Doch an dieser Studie eines US-Dissertanten lief wohl einiges falsch.

Foto: AP Photo/Desmond Boylan

New York/Wien - Der Volksentscheid in Irland für die Gleichstellung homosexueller Paare hätte eigentlich als aktuellster Beweis für die Richtigkeit der Studie von Michael LaCour gelten können: Der junge Politologe hatte im Dezember im Fachblatt "Science" einen Artikel veröffentlicht, der zu belegen schien, dass Konservative im Kontakt mit Homosexuellen rasch und nachhaltig ihre Meinung in Sachen gleichgeschlechtlicher Ehe ändern können.

Doch just an dem Wochenende, an dem das lange vom konservativen Katholizismus geprägte Irland sich mit mehr als 62 Prozent für die Gleichstellung der Homosexuellen aussprach, spitzte sich in den USA die Debatte um die Untersuchung von LaCour zu und nahm eine für alle Beteiligten unangenehme Wendung, wie US-Medien - allen voran die "New York Times" - berichteten. Und die Folgen des drohenden Skandals sind noch nicht wirklich absehbar.

Die Kraft des Gesprächs

Worum aber ging es in LaCours Studie genau? Und was ist daran allem Anschein nach fragwürdig? Der Dissertant an der University of California in Los Angeles hatte 41 homosexuelle und heterosexuelle Wahlhelfer ("canvasser") zu 927 Personen geschickt, deren politische Haltung vorher festgestellt worden war. Die im Auftrag der Forscher tätigen Wahlhelfer sollten die vor allem konservativen Wähler in Gespräche über die gleichgeschlechtliche Ehe verwickeln - in der Vergleichsgruppe über Müllrecycling.

Diese Gespräche hatten laut LaCour starke Effekte: Die Personen, mit denen über Homosexualität gesprochen worden war, zeigten eine merkliche Veränderung in ihren Grundhaltungen, insbesondere, wenn die Wahlhelfer homosexuell waren. Und diese Veränderung hielt mehrere Monate an, wie auch der STANDARD berichtete.

Doch nun kamen ernste Zweifel an der Studie auf - nicht zuletzt deshalb, weil diese auch vom Koautor geäußert wurden: Donald P. Green, Professor an der Columbia University in New York und angesehener Spezialist für sozialwissenschaftliche Feldexperimente, hatte sich von LaCour überzeugen lassen, an seiner Studie mitzumachen. Doch nun gestand Green ein, es mit der Kontrolle der Daten und ihrer statistischen Auswertung nicht genau genug genommen zu haben und bat vergangene Woche die Redaktion von "Science", die Studie zurückzuziehen.

LaCours Daten in der Kritik

Greens Vorwürfe, die sich letztlich auch gegen ihn selbst richten: LaCour könne die Originaldaten nicht reproduzieren, außerdem seien Ungereimtheiten bei der Finanzierung der Untersuchung aufgetaucht. Von den über 400.000 US-Dollar, die LaCour laut seiner Homepage für die Experimente aufgetrieben haben will, dürfte nur wenig bei den Wahlhelfern angekommen sein. Schließlich zeigte auch eine Überprüfung der statistischen Auswertung erhebliche Mängel.

Marcia McNutt, die Chefredakteurin von "Science", erklärte in einer ersten Reaktion, dass noch nicht entschieden sei, ob die Studie zurückgezogen werde. Schon jetzt hat der Fall für heftige Debatten gesorgt: In der "New York Times" wurde der immense Konkurrenzdruck unter Dissertanten kritisiert, die Fetischisierung von Publikationen in Topmagazinen wie "Science" oder deren fehlerhaftes Gutachtersystem.

Der absehbare Skandal ist wohl auch Wasser auf die Mühlen der Republikaner: Die hatten sich zuletzt sogar gegen die öffentliche Förderung der Politikwissenschaft in den USA ausgesprochen. (Klaus Taschwer, 27.5.2015)