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Um Pferde von einer durch Viren ausgelösten Krebserkrankung zu heilen, setzen Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien auf Immuntherapie. Da eine Chemotherapie den Tieren eher schadet als hilft, gilt es die körpereigenen Abwehrkräfte zu stärken.

Foto: APA/dpa/Julian Stratenschulte

Wien - Der Anblick ist zutiefst mitleiderregend. Die Haut des Opfers ist übersät von schorfigen Geschwulsten. Das Pferd leidet an Sarkoiden - einer bei diesen Vierbeinern häufig vorkommenden Krebserkrankung. Die Tumoren bilden zwar keine Metastasen, können aber sehr große Anteile der Körperoberfläche befallen und sind deshalb oft ein Grund zur Euthanasie, sagt Sabine Brandt von der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Und die Krankheit trifft nicht nur Pferde, fährt die Virologin fort. Andere Spezies der Pferdefamilie wie Zebras und Esel können ebenfalls darunter leiden. "Das ist auch in der Dritten Welt ein Thema", betont Brandt. Dort spielen Lasttiere vor allem für viele arme Familien eine entscheidende wirtschaftliche Rolle.

Sabine Brandt und ihre Kollegen stehen den Tumoren praktisch täglich gegenüber. "Wir bekommen massenhaft Pferde mit Sarkoiden zur Behandlung" , sagt sie. Auch viele Tiere mit Hauttumoren wie Plattenepithelkarzinomen und Melanomen werden eingeliefert. Letztere treten vor allem bei Schimmeln auf, unter anderem bei etwa 50 Prozent der Lipizzaner. Die erhöhte Anfälligkeit ist erblich bedingt, genauso wie die Haarfarbe, sagt Brandt.

"Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem sogenannten Grau-Gen und der Entstehung von Melanomen." Das Grau-Gen ist eine Gen-Mutation, die bedingt, dass mit dunklem Fell geborene Schimmelpferde erst mit der Zeit ergrauen. Zum Glück verhalten sich die dadurch entstehenden Tumoren bei weitem nicht so aggressiv wie deren Pendant beim Menschen. Viele betroffene Schimmel können ihr Leben lang ohne Beeinträchtigung bleiben.

Die Verursacher von Sarkoiden und Plattenepithelkarzinomen sind Viren - Verwandte der als Krankheitserreger beim Menschen gefürchteten Humanen Papillomaviren (HPV). Interessanterweise werden Erstere offenbar durch Infektion mit einer besonderen Variante des bei Rindern verbreitet vorkommenden Virentyps BPV ausgelöst.

Im Normalfall sind Papillomaviren sehr wirtsspezifisch und die meisten zudem harmlos. "Das Kuhvirus im Pferd hat aber ein paar kleine genetische Abweichungen", sagt Brandt. Diese könnten für die erhöhte Fähigkeit, krankhafte Veränderungen im Organismus hervorzurufen, verantwortlich sein. Auch scheint es keine direkte Übertragung von Rindern auf Pferde zu geben. Stattdessen stecken sich die Reittiere und andere Vertreter der Pferd-Familie wohl gegenseitig an.

Für die Entwicklung neuer Therapien gegen die besagten Krebskrankheiten verfolgen Brandt und ihr Team eine raffinierte Strategie: Die Forscher wollen die Papillomaviren mithilfe der körpereigenen Verteidigung schlagen. Sie setzen auf Immuntherapie. Klassische Chemotherapie und Bestrahlungen schaden den Abwehrkräften eher, sagt Brandt. "Man versucht praktisch, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Das Ziel der Immuntherapie ist es, dieses Vorgehen umzudrehen." Dem Immunsystem soll geholfen werden, die Tumoren selbst zielgenau zu bekämpfen.

Störung der Immunkräfte

Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Papillomaviren und die von ihnen infizierten Zellen verfügen über äußerst effektive Mittel zur Störung der Immunkräfte. Eines davon ist die Inaktivierung des Abwehrstoffes Interferon durch die Produktion spezieller Antagonisten. Das hierfür zuständige Viren-Gen konnten Fachleute schon identifizieren.

Die Wiener Experten haben nun eine künstliche BPV-Variante, einen sogenannten Vektor, entwickelt, bei dem sie die für den Interferon-Hemmer codierende Erbgutsequenz entfernten. Der Erreger wurde sozusagen entschärft. Die dann in großen Mengen ausgeschüttete Immunsubstanz beginnt die Geschwülste aufzulösen. Doch damit nicht genug. "Wir bewaffnen dieses Virus zusätzlich", sagt Brandt.

Wie ein trojanisches Pferd. Anstelle des entfernten Gens werden Codes für die Produktion von immunstimulierenden Botenstoffen oder inaktivierten Krebs-Genen eingesetzt. Letztere führen zur Synthese von krebstypischen Erkennungsmolekülen und somit zur Enttarnung der Tumorzellen. "Dadurch werden sie dem Immunsystem auf dem Silbertablett präsentiert", sagt Brandt.

Vorsorge vor Heilung

Natürlich ist Vorsorge besser als Heilung. Die Forscher arbeiten deshalb auch an einem Mischimpfstoff gegen Plattenepithelkarzinome und Sarkoide bei Pferden. Im Prinzip soll dieser genauso funktionieren wie die HPV-Schutzimpfung beim Menschen. Um die Immunkräfte gegen eine Infektion zu wappnen, müssen diese mit der Oberflächenstruktur der Keime vertraut sein.

Dementsprechend ist die Virenummantelung das Herzstück eines Impfstoffes. "Wenn man die Kapselproteine künstlich in Kulturen produziert, setzen sie sich spontan zusammen", sagt Brandt. "Das ist ein Glücksfall." Es entstehen leere, harmlose Virenhüllen, die dem Immunsystem als Vorlage für die Bereitstellung von Antikörpern dienen können. "Wir stehen kurz vor einem Durchbruch", lautet Brandts Einschätzung.

Das Projekt ist eine Kooperation zwischen der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der ebenfalls in Wien ansässigen Firma Blue Sky Vaccines. Die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG leistet finanzielle Unterstützung. Für ihren Förderantrag zur Entwicklung der BPV-Therapie belegte das Konsortium im vergangenen Jahr den mit 5000 Euro dotierten dritten Platz des Life-Science-Calls-Wettbewerbs der Wiener Wirtschaftsagentur.

"Unsere Aufgabe ist in erster Linie, den tierischen Patienten zu helfen" , betont Brandt. "Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können jedoch auch für die Humanmedizin von Nutzen sein." (Kurt de Swaaf, 27.5.2015)