Brüssel/Wien - Die Wirtschaftskammer drängt auf mehr qualifizierte Zuwanderer für Österreich. Der WKÖ-Abteilungsleiter für Sozialpolitik und Gesundheit, Martin Gleitsmann, erklärte am Dienstag in Brüssel, mit Blue Card der EU und der Rot-Weiß-Rot-Card habe es 2014 nur knapp 2.000 solcher zugewanderten Fachkräfte aus Drittstaaten gegeben.

Matthias Mayer von der Bertelsmann Stiftung verwies darauf, dass in Deutschland bei weiterhin sinkender Geburtenrate rund 16 Millionen Zuwanderer zur Ausnutzung des Arbeitskräftebedarfs bis 2050 fehlten. Selbst wenn ein hypothetisches Szenario einer Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 70 Jahre ab 2035 erfolge und eine gleich hohe Erwerbsquote von Frauen und Männern greifen würde, könnten diese 16 Millionen an Fehlbedarf am Arbeitsmarkt nur um 4,4 Millionen reduziert werden.

Talentepool

Gleitsmann betonte, Europa müsse attraktiver für internationale Talente werden. Dies könnte durch die Einrichtung eines EU-weiten Talentepools geschehen. Auf einen Vergleich zu den Aussichten für Deutschland angesprochen sagte Gleitsmann, in Österreich werde die Vorausschau derzeit bereits mit 30.000 Zuwanderern jährlich unterlegt. Aber "wenn es darunter sinkt, bekommen wir unter den EU-Staaten als erstes ein Problem". Wesentlich sei die Zuwanderung von Fachkräften auch für den Erhalt des Sozialsystems. Wenn es nur ein Fünftel weniger an Zuwanderung für Österreich gäbe als heute, "würde sofort das Pensionssystem noch mehr ins Wackeln kommen als das jetzt schon der Fall ist".

Die Blue Card der EU habe für Österreich im Vorjahr nur 151 Fachkräfte gebracht. Mit der Rot-Weiß-Rot-Karte seien 1.170 Schlüsselkräfte gekommen, 351 über die Mangelberufs-Schiene, 105 bei den besonders Hochqualifizierten und 221 bei den Studienabsolventen. Insgesamt habe die Summe damit lediglich 1.998 zugewanderte Fachkräfte aus Drittstaaten betragen.

Zu hohe Verdienstgrenzen

Zu überlegen sei auch, die Zugangserfordernisse für den Erhalt einer Blue Card zu reduzieren. Derzeit gebe es diese Karte nur, wenn jemand das Eineinhalbfache des nationalen Durchschnittslohns verdiene, was in Österreich 4.100 Euro monatlich seien. Dies sei vor allem für jüngere Menschen schlicht unerreichbar. Bei der Rot-Weiß-Rot-Karte seien es 2.700 Euro für über 30-jährige und 2.300 Euro für unter 30-jährige.

Angesprochen auf die Notwendigkeit einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters von 65 Jahren sagte Gleitsmann, es müsse natürlich an allen Schrauben gedreht werden, wenn sich die Lebenserwartung ändere. Aber eingeschränkt gehörten vielmehr die heutigen Frühpensionsmöglichkeiten. "Wir leisten es uns in Österreich, heute um drei Jahre früher im Durchschnitt in Pension zu gehen als Anfang der 70er-Jahre, während die Lebenserwartung seitdem steil angestiegen ist".

Zum EU-Talentepool sagte Gleitsmann, das "matching" - das Zusammenführen von Arbeitgebern mit geeigneten Zuwanderern im Ausland - sei eines der Hauptprobleme im Bereich der Arbeitsmigration. Für einen EU-weiten Talentepool könnten sich Interessenten aufgrund von objektiven Kriterien (z.B. Qualifikationsniveau, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse oder Alter) qualifizieren und dort auch Länderpräferenzen anführen. Arbeitgeber können in diesem Pool nach potenziellen künftigen Arbeitnehmern suchen. (APA, 26.5.2015)