Wenn Monica Kranner ihren Kleintransporter aus der Nachkriegszeit, den Citroën HY, für den Tag aufrüstet, denkt sie oft daran zurück, wie alles begann. Die diplomierte Ernährungsberaterin gehört zu den Street-Food-Pionieren in Österreich. Seit einigen Jahren arbeitet die Unternehmerin in Wien und London. In der britischen Hauptstadt ist sie erstmalig mit Street-Food in Berührung gekommen und dachte, das könnte auch in Österreich funktionieren. Und sie sollte Recht behalten. Bevor Monica Kranner zum ersten Mal ihre mobile Küche geöffnet hat, hatte sie Kurse in der internationalen Kochschule Le Cordon Bleu und bei einem peruanischen Koch belegt.

Monica Kranner gehört mit ihrer HY Kitchen zu den Street-Food Pionieren.
Foto: Christian Benesch

Schließlich folgte die Suche nach einem geeigneten Fahrzeug. Die Unternehmerin wurde schnell fündig – ein alter Citroën Typ HY sollte es werden. Sie wusste sofort, dass sie ihre Speisen nicht von einem Tapezierertisch verkaufen kann und importierte den Old timer schließlich von Großbritannien nach Österreich, um ihre eigene kleine Street-Food-Revolution zu starten.

Street-Food hat eine lange Tradition

So richtig neu ist die Idee von Monica Kranner ja nicht. Wer denkt, bei Street-Food handle es sich um eine Modeerscheinung der Neuzeit, der irrt. Die kleinen Snacks auf der Straße sind zur Abwechslung keine Erfindung der innovativen Hipster-Bewegung. Bereits im zwölften Jahrhundert haben Großküchen in Asien ihre Produkte in kleinen Portionen auf der Straße verkauft. In Indien und Thailand gehören mobile Garküchen mit regionalen Spezialitäten seit Ewigkeiten ganz selbstverständlich zum Stadtbild. Und auch aus Singapur oder Hongkong kann man sich die portablen Küchen mittlerweile nicht mehr wegdenken. Dort findet man sie meistens in sogenannten Hawker-Centres oder auf Nachtmärkten.

Dongdongfan: Chinesinnen in Wien kochen asiatische Spezialitäten. Ein integratives Stadtprojekt von Nora Sahr, Katharina Idam & Weina Zhao.
Foto: Christian Benesch

Die beiden Wienerinnen Nora Sahr und Katharina Idam wurden von den Dreirädern in Schanghai, von denen aus Speisen aller Art verkauft werden, inspiriert. Nachdem beide selbst lange Zeit in China gelebt haben, holten sie nun ein Stück chinesische Esskultur nach Wien. Dongdongfan Moving-Food heißt ihre fahrende Straßenküche, die als inte gratives Stadtprojekt gedacht ist, wird sie doch ausschließlich von Chinesinnen betrieben, die in Wien leben und gerne privat kochen. Angeboten werden vor allem kalte Nudeln aus Bohnen- oder Tapiokastärke mit einer kräftigen Würzsauce oder chinesische Crêpes.

London ist ein Paradies für Street-Food Fans

Neben Asien hat sich auch London in den letzten Jahren zu einem Street-Food-Mekka entwickelt. Nicht ganz unbeteiligt daran ist der britische Buchautor und Journalist Richard Johnson. Er ist Gründer der jährlich stattfindenden Street-Food-Awards und ein Unterstützer der Street-Food-Szene, hat er laut eigener Aussage doch die besten Mahlzeiten nicht in einem Sternerestaurant gegessen, sondern auf den Straßen von Bethlehem und Mandalay. "Das beste Straßenessen ist kostengünstig und frisch – anders als teures Essen im Restaurant, das auf Heizplatten darauf wartet, von einem unmotivierten Kellner zum Tisch gebracht zu werden", so Johnson.

Auch Monica Kranner konnte mit ihrem herzhaften Burger mit Tafelspitz und Apfelkren in London beeindrucken und war bei Johnsons Award in der Kategorie Best Burger nominiert. Mittlerweile muss man nicht mehr über den Ärmelkanal fahren, um das Street-Food-Feeling zu inhalieren.

Cooler Typ verkauft coole Crêpes: Marc Schweiger steht mit seinem Road Crêpe gerne vor Universitäten.
Foto: Christian Benesch

Der Trend sucht sich seinen Weg nach Österreich.

In Wien ist der "Street Kitchen – Food Market" Anfang Mai 2015 zum ersten Mal über die Bühne gegangen und hat tausende Neugierige in die Marx-Halle im dritten Gemeindebezirk gelockt. Mexikanische Gorditas, peruanische Quinoa-Burger oder Crêpes mit Herbsttrompete, Adzukibohne und Goji-Beeren sind nur ein paar der ausgefallenen Speisen, die hier feilgeboten werden.

Hinter dem Event steht der studierte Eventmanager Roman Groiss, der bereits seit letztem Jahr erfolgreich den Wiener "Mondscheinbazar" veranstaltet. Gemeinsam mit seinem Partner Gabor Hillinger will er die Wiener Street-Food-Szene aufmischen. Mehr als 100 Aussteller haben sich beworben, innerhalb kürzester Zeit waren alle Standplätze in der 20.000 Quadratmeter großen ehemaligen Rinderhalle ausgebucht. Und obwohl die Schlange vor den Eingängen und den Food-Trucks nahezu endlos schien, haben sich Tausende angestellt und eine Wartezeit von bis zu 45 Minuten in Kauf genommen, nur um einen Burger, einen Wrap oder ein Würstchen im Stehen zu essen.

Wrap Heroes: Marko Ertl, Matthias Kroisz & David Weber von Wrapstars.
Foto: Christian Benesch

Monica Kranner veranstaltet indessen lieber ihre eigenen kleinen Events. Gemeinsam mit Marko Ertl und Matthias Kroisz von Wrap stars hat sie das Artisan Food Collecitve gegründet. Sie will mit Street-Food-Clubbings die Wiener Szene beleben und Betreiber mobiler Essensstände fördern. Schließlich kennt sie die Hürden, mit denen man gerade am Anfang zu kämpfen hat. Bis sie damals die Erlaubnis erhielt, ihren fahrenden Verkaufsstand zu benutzen, musste sie sich erst mühsam durch den Wiener Behördendschungel arbeiten. Ein Jahr lang hat es gedauert, bis alle notwendigen Bescheide beisammen waren und Kranner gesundes Essen auf der Straße verkaufen durfte. Neben ihren eigenen Veranstaltungen steht sie mit ihrer HY Kitchen auf Festivals und Märkten und bringt hochwertige Burger aus Fleisch edler Wagyu-Rinder oder der alten Schweinerasse Mangalitza, an den Mann.

Der Kampf mit den Behörden

Eine Genehmigung für öffentliche Plätze zu erhalten scheint indessen kaum möglich. "Ich habe um einen Standplatz auf der Mariahilfer Straße angesucht. Die Absage kam prompt. Ich würde nicht ins Stadtbild passen, mit meinem Fahrzeug die Sicht auf die historischen Gebäude verdecken und nicht genügend Qualität bieten", so Kranner. Neben der Stadtgestaltung entscheiden auch Marktservice, Polizei und Bezirksvorstehung über die Vergabe von Standplätzen. Der Antrag muss bereits lange vor dem beabsichtigten Termin eingebracht werden und umfasst unzählige Informationen. Diese Fülle an Auflagen schreckt viele potenzielle Betreiber mobiler Straßenküchen in Wien ab. Hier sind Sitzfleisch und Hartnäckigkeit gefragt.

Junge Unternehmer brauchen eine gute Portion Idealismus

Auch Quinten Versluis und Marietta Pisec hatten so ihre Schwierigkeiten mit den Behörden. Das junge Ehepaar betreibt seit einem Jahr den Food-Truck A speedy Potato.

Mit ihrem Anhänger in Form einer Kartoffel touren die beiden durch ganz Österreich und haben ein simples wie ansprechendes Konzept – sie verkaufen biologisch angebaute Ofenkartoffeln mit selbstgemachten Saucen. Die saftigen und tiefgelben Erdäpfel der Sorte Agria beziehen die Neounternehmer von einem Biohof in Niederösterreich.

Marietta Pisec & Quinten Versluis beweisen nicht nur Stärke, sie verkaufen sie auch: Bio-Ofenkartoffel mit hausgemachten Toppings
Foto: Christian Benesch

Mit Gastronomie hatten die beiden ursprünglich gar nichts am Hut. Quinten hat Wirtschaft studiert und seine Frau an der Uni kennengelernt. Auch wenn sie von ihren jeweiligen Familien zuerst für verrückt erklärt wurden, haben die beiden alles auf eine Karte gesetzt, ihr Studium hingeschmissen und einen passenden Anhänger zusammengebaut. "Unsere gesamten Ersparnisse und die unserer Familien stecken in dem Truck. Schließlich hätte uns keine Bank einen Kredit für eine fahrende Kartoffel gegeben", ist Versluis überzeugt. Aber auch er musste schnell erkennen, dass die Selbstständigkeit alles andere als romantisch ist.

Die größte Hürde für den gebürtigen Holländer war der österreichische Behördendschungel. "Zumindest haben wir einige Wiener Ämter von innen gesehen. Zuerst waren wir als Marktfahrer angemeldet, doch das hat sich als falsch her ausgestellt. Schließlich haben wir ein freies Gastgewerbe angemeldet", schmunzelt Versluis. Vor einem Supermarkt oder einem Bürogebäude dürfen die beiden ihre fahrende Kartoffel dennoch nicht einfach so abstellen. Die Standplätze müssen lange im Voraus beantragt werden, und wenn das Wetter nicht mitspielt und damit die Kunden ausbleiben, hat man eben Pech gehabt.

Treffpunkt für Street-Food-Heroes

Beim "Street Kitchen – Food Market" hat man diese Probleme als Betreiber nicht, stellen doch die Veranstalter die Fläche und die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung. Bevor allerdings jemand einen Standplatz zugeteilt bekommt, wird das Konzept sorgfältig von Roman Groiss und Gabor Hillinger geprüft. "Uns ist wichtig, dass die Qualität der Speisen stimmt und dass die Betreiber tatsächlich auch wissen, was sie tun. Die Besucher sollen rasch und unkompliziert an ihr Essen kommen", so Groiss, der den von ihm gegründeten "Street Kitchen – Food Market" zu einem regelmäßigen Treffpunkt für innovative Food-Heroes und Gourmet-Fans machen will. "Wir wollen eine nette Street-Food-Community in Wien schaffen", sagt er.

Hat eine Street-Food eine Chance in Österreich?

Seitdem die USA Food-Trucks zum neuen Trend erklärt haben, sind unzählige Großstädte aufgesprungen und schwimmen auf der Street-Food-Welle mit. Aus Berlin, Amsterdam, Warschau und anderen europäischen Städten sind die mobilen Essensstände und Märkte inzwischen nicht mehr wegzudenken.

Ob Wien auch zur kreativen Street-Food-Zone wird? Das wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Denn manchmal ist der Trend schon wieder vorbei, bevor er in Österreich überhaupt angekommen ist. (Alex Stranig, Rondo, 27.5.2015)