Gleich und gleicher: Bei Tabletten geht es für Patienten um die Wirkung, für die Pharmaindustrie aber immer auch um den Preis. Stimmungsmache ist ein Teil des Spiels.

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EbM-Experte Gerald Gartlehner nimmt für derStandard.at regelmäßig aktuelle Studien unter die Lupe.

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Was billig ist, kann nur minderwertig sein: Diese Überzeugung hat sich in den Köpfen vieler Menschen festgesetzt. Das ist auch der Grund dafür, warum Konsumenten bereit sind, für ein und dasselbe Produkt tiefer in die Tasche zu greifen, wenn es um Markennamen geht. Diese Einstellung gilt leider nicht nur für Jeans, Kartoffelchips und Geschirrspülmittel, sondern auch für Medikamente. Gesundheit ist ein wertvolles Gut, in die es sich zu investieren lohnt.

Auch im Medikamentenbereich gibt es PR-Strategen, die außergewöhnlich gut darin sind, Menschen emotional an ein Produkt zu binden. Ein Beispiel: Wer rasch ein rezeptfreies Mittel gegen Kopfweh braucht, kommt kaum auf die Idee, in der Apotheke nach dem günstigsten Mittel mit dem Inhaltsstoff Acetylsalicylsäure zu fragen.

Nur das Teuerste ist gut genug

Der Markenname "Aspirin" des Herstellers Bayer hat sich einfach zu fest in unser Hirn eingebrannt. Die grün-weiße Verpackung weckt Vertrauen, wir können sicher sein, dass sie das Hämmern im Kopf rasch zum Verschwinden bringt. Einer billig aussehenden, weißen Schachtel mit dem Kürzel ASS (für Acetyl-Salicyl-Säure), die nur ein Viertel kostet, ist da keine Alternative.

Ein anderes Beispiel: Wer vom Arzt jahrelang dasselbe Mittel verschrieben bekommen hat, will nicht plötzlich auf ein unbekanntes wechseln. Dass es sich um denselben Wirkstoff in anderer Verpackung handelt, die den Krankenkassen aber weniger kostet, mindert das Misstrauen nicht. Für den Patienten ändert sich ja nichts, er zahlt in der Apotheke immer die gleich hohe Rezeptgebühr.

Was Medikamente von anderen Produkten unterscheidet? Keine einzige Billig-Kartoffelchipssorte benötigt einen wissenschaftlichen Nachweis über die Gleichwertigkeit mit Markenchips. Ein Pluspunkt für den vermeintlichen Qualitätshersteller – er kann mit dem Zweifel der Konsumenten spielen und deutlich mehr für sein Produkt verlangen.

Nachnutzung als Prinzip

Ganz anders bei Medikamenten. Generika sind billigere Medikamente mit genau demselben Wirkstoff. Sie sind einzig und allein deshalb billiger, weil die teuren Entwicklungskosten für ein neues Medikament wegfallen.

Um diese Kosten hereinzubekommen, erhält der Hersteller des Originals ein zeitlich begrenztes Monopol in Form eines Patents. Nach Ablauf des Patentschutzes hat der Hersteller seine Entwicklungskosten eingespielt und muss nun den Kuchen mit Mitbewerbern teilen.

Generika müssen per Gesetz genau dieselbe Qualität aufweisen wie die Originale. Und das auch wissenschaftlich beweisen können. Das tun sie auch: Nachahmpräparate wirken nicht schlechter als die ursprünglichen Arzneimittel. Aus irgendeinem Grund hinkt Österreich Ländern wie Deutschland, Dänemark, den Niederlanden oder Schweden bei der Verwendung von Generika deutlich hinterher.

Die Macht der Gerüchte

Schuld sind zahlreiche Gerüchte, die die Werbestrategen der Pharmaindustrie erfolgreich in die Köpfe von Patienten, Ärzten und Apothekern eingepflanzt haben. Viele Patienten glauben, bei Generika handle es sich um gefälschte Medikamente oder um Imitate von geringerer Qualität. Das ist schlicht und ergreifend falsch.

Medikamentenhersteller nehmen für diese Art von Gehirnwäsche viel Geld in die Hand: beinahe doppelt so viel wie für die Forschung an neuen Medikamenten. Besonders effizient ist es, wenn Pharmareferenten Ärzte direkt in der Ordination mit ihren Werbebotschaften bearbeiten. Für jeden Dollar, den eine Pharmafirma in Pharmareferenten investiert, verdient sie zwei Dollar an zusätzlichen Verschreibungen. Das zeigen vertrauliche Dokumente des Herstellers Merck.

So kritisieren manche Ärzte, dass Nachahme-Präparate nur an gesunden Menschen getestet werden, während Original-Präparate aufwändig an Kranken erprobt sind. Das ist richtig, macht aber auch Sinn. Ein Generikum enthält genau denselben Wirkstoff wie das Original-Medikament – ob der Wirkstoff eine Krankheit bessert, muss daher nicht ein zweites Mal untersucht werden.

Gleich wirksam, gleich sicher

Sie unterscheiden sich lediglich in äußerlichen Merkmalen (Tablettenfarbe, Form), Bindemittel oder im Herstellungsprozess. Daher müssen Generika-Hersteller nachweisen, dass ihre Präparate den Wirkstoff im Körper ebenso schnell und in derselben Menge wie das Original freisetzen , den so genannten Nachweis der Bioäquivalenz. Dies ist ein weltweit wissenschaftlich anerkannter Beweis für die gleiche Wirksamkeit und Sicherheit.

Einige Kritiker meinen auch, der Wechsel von einem Medikament auf ein generisches sei in manchen Fällen gefährlich. Demnach könnte eine (gesetzlich erlaubte) geringe Abweichung der Wirkstoffkonzentration von der des Ursprungsmedikaments etwa bei Epileptikern mehr Anfälle auslösen. Auch das ist bewiesenermaßen falsch. In klinischen Studien konnten Forscher kein erhöhtes Anfallsrisiko finden.

Apotheken als Teil des Problems

In Österreich sind Apotheken nicht verpflichtet, das kostengünstigste Mittel mit dem gleichen Wirkstoff zu verkaufen. Bei rezeptfreien Mitteln verschweigen viele Apotheker ihren Kunden sogar absichtlich, dass es ein günstigeres Generikum gibt. Das zeigt ein Test des Vereins für Konsumenteninformation aus dem Jahr 2012.

Für verschreibungspflichtige Arzneien gibt es in Ländern wie Schweden, Großbritannien oder den Niederlanden eine besonders effektive Regelung: dort schreibt der Arzt nur den Wirkstoff auf das Rezept. In der Apotheke erhält der Patient oder die Patientin damit automatisch das kostengünstigste Generikum – sofern eines verfügbar ist. Der Fachbegriff dafür heißt "aut idem"-Regelung. Der lateinische Begriff bedeutet übersetzt "oder ein Gleiches".

Das Problem: in Österreich gibt es keine Aut idem – Regelung. Warum eigentlich nicht? Somit würde sichergestellt, dass die Krankenkassen bei gleichbleibender medizinischer Versorgung nicht übertrieben viel Geld in die Taschen der Pharmaindustrie schaufeln müssen. So bliebe mehr Geld für andere Therapien. (Gerald Gartlehner, 23.5.2015)