Peter Pilz (Mitte) mit Kollegen aus Deutschland und Luxemburg bei der Pressekonferenz in Berlin.

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Diese E-Mail belegt die Ausspähung internationaler Internetleitungen aus Wien.

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Peter Pilz lächelt sichtlich erfreut über das große Interesse der Journalisten, als er am Dienstag im Berliner Bundespressekonferenz Platz nimmt. "Ich bin in freundlicher Absicht nach Berlin gekommen", sagt er mit einem kleinen Augenzwinkern. Denn für Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes und der Deutschen Telekom gilt diese Freundlichkeit nicht. Der grüne Nationalratsabgeordnete hat in Wien Strafanzeige gegen sie gestellt. Der Verdacht: "Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs, § 256 StGB." Namentlich erwähnt werden drei Mitarbeiter der Deutschen Telekom und ein BND-Mitarbeiter.

Mehr Enthüllungen

Denn für Pilz hat sich nicht nur der "dringende Verdacht" ergeben, "dass eine Telekommunikationsleitung zwischen Luxemburg und Wien, welche sich auf einer 'Prioritätenliste' des BND befand, diesem 'zugeschaltet' wurde". Er legte in Berlin eine Liste von weiteren Leitungen vor, die die NSA dem BND im Rahmen der JSA (Joint Signal Activity) zum Abschöpfen empfohlen haben soll.

Betroffen, so Pilz, waren zwischen den Jahren 2005 und 2008

  • Amsterdam–Salzburg
  • Amsterdam–Linz
  • Jakarta–Wien
  • Manila–Wien
  • Sydney–Wien
  • Tokio–Wien
  • Stockholm–Wien
  • Dublin–Wien
  • Moskau–Wien
  • Rotterdam–Wien

Auch über Luxemburg

Zudem gibt es eine ebenso umfassende Liste von Verbindungen, die über Luxemburg gelaufen sein sollen. Es handle sich dabei "ausschließlich um Transitleitungen" (durch Deutschland) und es "steht außer Zweifel, dass Datenangriffe auf die Telekom Austria verübt wurden". Dass die NSA tatsächlich über diese Leitungen Daten abgeschöpft hat, kann Pilz nicht belegen. Noch nicht, wie er sagt. Doch seiner Meinung nach "besteht der Verdacht, dass der NSA die Liste via BND, Pullach, den Knoten Frankfurt und der Abhörstation in Bad Aibling zugänglich gemacht wurden".

Deutschland hatte Nachbarstaaten im Visier

Pilz nennt dies gemäß der internen Bezeichnung die "große Umschaltaktion". 2005 habe der BND versucht, das Ausspähen von deutschen Zielen durch die NSA zu unterbinden. Seither hätten BND und NSA die Transitleitungen im Auge gehabt und damit auf die unmittelbaren Nachbarstaaten Deutschlands, also auch Österreich, gezielt.

Auf Twitter veröffentlichte Peter Pilz Auszüge aus der Prioritätenliste der NSA.

"Sie glauben doch nicht, dass es da um den österreichischen Bundeskanzler ging", sagt Pilz. Vielmehr, so sein Verdacht, habe die NSA in Wien die Uno, die OSZE und die Opec im Blick gehabt. Es zeichne sich generell ein "Netz", das sich über ganz Europa spannt ab. Insgesamt seien Leitungen aus 31 Staaten (darunter 26 EU-Länder) betroffen.

Selektoren sollen herausgerückt werden

Von der deutschen Bundesregierung will Pilz nun wissen, welche Daten sich von Personen aus Österreich in den abgeleiteten Datensätzen befanden, welche NSA-Selektoren zur Auswertung verwendet wurden. Ihn interessiert zudem: Wie lange unterstützte der BND die NSA beim Zugriff auf die Telekommunikation von Österreich, ob das deutsche Kanzleramt informiert gewesen sei und ob österreichische Stellen von Berlin aus ins Bild gesetzt wurden.

Peter Pilz bei der Pressekonferenz in Berlin.
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Von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet Pilz "umfassende Aufklärung" und eine "Erklärung oder Geste", die den "Beginn der Wiederherstellung des beschädigten Vertrauens" markieren kann. Er erinnert an den Sommer 2013, als bekannt wurde, dass Merkels Handy von der NSA abhört worden war und sie das mittlerweile geflügelte Wort "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht", verwendete: "Als sie Opfer des amerikanischen Lauschangriffs wurde, hatte die deutsche Kanzlerin in Österreich alle unsere Sympathien. Jetzt, wo es um das Ausspähen der österreichischen und der luxemburgischen Telekommunikation geht, ist sie nicht Opfer, sondern Chefin der Tatverdächtigen."

Finanzplatz Luxemburg von Interesse?

Der luxemburgische Grünen-Politiker Christian Kmiotek, der ebenfalls nach Berlin gekommen war, mutmaßt bei der Pressekonferenz, dass für die NSA der Finanzplatz Luxemburg interessant gewesen sei. Luxemburg habe zudem 2005 die EU-Ratspräsidentschaft innegehabt. Auch er zeigte sich empört: "Mein Vater war 40 Jahre lang Briefträger, aber er hat die Briefe nur ausgetragen und nicht geöffnet." Pilz ist zuversichtlich, dass die Angelegenheit aufgeklärt werden kann. Mittlerweile sei "eine Mehrheit der EU-Staaten" betroffen. Er ist gerade dabei, sich mit Grünen-Politikern in Europa zu koordinieren. Der deutsche Grünen-Chef Cem Özdemir mahnte: "Die deutsche Verfassung gilt auch für die Geheimdienste." Er forderte erneut von der deutschen Regierung, die Liste mit den Selektoren dem Bundestag vorzulegen. (Birgit Baumann aus Berlin, 19.5.2015)