Innsbruck/Wien - Ein wesentliches Element der Quantenmechanik ist die Quantelung der Energie. Demnach wird Energie immer nur in einzelnen Portionen übertragen, den sogenannten Quanten. Das gilt auch für den Drehimpuls. Innsbrucker Physiker haben nun präzise vermessen, wie bei einem Stoßprozess ein einziges Quant ein Molekül in Drehung versetzt, berichten sie im Fachjournal "Nature Physics".

Kühlt man Atome und Moleküle auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (minus 273,15 Grad Celsius), treten Wechselwirkungen zwischen Atomen, Molekülen und Licht nicht mehr bei beliebigen Energien der Teilchen auf, sondern nur bei genau bestimmten Werten. Das gilt auch, wenn man ein Molekül durch den Zusammenstoß mit einem Atom in Drehung versetzen will.

Dabei muss das Atom bei der Kollision dem Molekül exakt jenes Quant an Energie zuführen, bei dem es aus der Ruhe in den ersten Drehungszustand versetzt wird. Ist das Atom beim Zusammenstoß zu langsam, beginnt sich das Molekül nicht zu drehen.

Hydroxid-Ionen in der Falle

"Das ist die Konsequenz der Quantenmechanik. Der Drehimpuls ist nicht mehr frei, es gibt nicht mehr alle möglichen Drehgeschwindigkeiten, sondern nur mehr ein oder zwei oder drei Quanten an Drehbewegung", so Roland Wester vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck. Diese theoretischen quantenmechanischen Voraussagen haben die Forscher nun präzise vermessen und beschrieben.

Dazu fingen sie in einer Ionenfalle negativ geladene Hydroxid-Ionen ein, betteten sie in ein dünnes Heliumgas ein und kühlten sie auf rund minus 260 Grad Celsiusab. Mit Hilfe eines Lasers können die Hydroxid-Ionen, die aus einem Sauerstoffatom und einem Wasserstoffatom bestehen, untersucht werden.

Bei dieser Temperatur bewegen sich die Hydroxid-Moleküle in der Falle immer noch mit 50 bis 100 Meter pro Sekunde. Dennoch ist die Energie, die man in das Molekül stecken muss, damit es sich zu drehen beginnt, viel höher als die Bewegungsenergie der Teilchen in der Falle. "Man braucht das Energieäquivalent einer Temperatur von etwa 60 Kelvin, die man da hineinstecken muss, damit sich das Molekül wirklich dreht", so Wester. Grund dafür ist, dass Hydroxid ein relativ kleines Molekül ist und das Quantum Stoß(-Energie) umso größer sein muss, je kleiner und kompakter das Molekül ist.

Übereinstimmung mit theoretischen Berechnungen

Die Temperaturverteilung der Heliumatome ermöglicht auch langsame und schnellere Teilchen. Manche sind dabei schnell genug, damit sie die Moleküle bei den zufälligen Zusammenstößen zum Drehen anregen. Der Prozess funktioniert auch in umgekehrter Richtung, wenn bei einer Kollision ein Heliumatom die Drehenergie des Moleküls aufnimmt und dabei beschleunigt wird, während das Hydroxid-Ion aufhört sich zu drehen.

"Das Elegante dabei ist, dass es sonst keine Möglichkeit gibt, Energie in das System hineinzubringen, es gibt genau dieses Quantum Rotation und sonst nichts", so Wester. Durch die präzise Übereinstimmung der Messungen mit den theoretischen Berechnungen werde der Prozess nun auch gut verstanden.

Dies ist speziell für den Bereich der sogenannten kalten Chemie interessant. "Die klassische Vorstellung von Chemie ist ja, dass man irgendeine Energie braucht, damit eine chemische Reaktion losgeht, sei es ein Bunsenbrenner oder ein Zündfunke", so Wester. Bei manchen Substanzen passiere aber auch ohne diese äußere Energie Interessantes, selbst bei Temperaturen von minus 160 Grad Celsius und darunter.

Derartige Prozesse sind nicht nur für Quantenphysiker interessant, sondern auch für die Astrophysik. So könnten elementare Rotationsanregungen etwa auch eine Rolle bei den chemischen Prozessen in Sternentstehungsgebieten spielen. (APA, 25.5.2015)